Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Vorverstorbener Schlusserbe: Im Zweifel werden Zuwendungen auf die Abkömmlinge erstreckt

Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen spielt in der täglichen Praxis der Rechtsanwendung eine entscheidende Rolle. Je genauer die Formulierung in einem Testament ist, desto weniger Raum für eine Auslegung verbleibt. So dachte es sich im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) auch der Sohn einer Erblasserin, als dieser einen Erbschein beantragte, der ihn als namentlich benannten Alleinerben auswies.

Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen spielt in der täglichen Praxis der Rechtsanwendung eine entscheidende Rolle. Je genauer die Formulierung in einem Testament ist, desto weniger Raum für eine Auslegung verbleibt. So dachte es sich im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) auch der Sohn einer Erblasserin, als dieser einen Erbschein beantragte, der ihn als namentlich benannten Alleinerben auswies.

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann aus zweiter Ehe ein Testament errichtet, in dem die beiden Söhne namentlich als Schlusserben eingesetzt worden sind. Vor dem Tod der Erblasserin war ein Sohn bereits verstorben. Dies veranlasste das Nachlassgericht dazu, den bereits erteilten Alleinerbschein mit der Begründung einzuziehen, dieser sei offensichtlich unrichtig, da neben dem verbliebenen Sohn der Erblasserin auch der Sohn des vorverstorbenen Schlusserben - der Enkel der Erblasserin - Miterbe geworden sei. Hiergegen wendete sich der Sohn der Erblasserin jedoch erfolglos.

Zuwendungen an einen Abkömmling werden kraft Gesetzes im Zweifel auf dessen Abkömmlinge erstreckt, wenn der ursprünglich Bedachte nach Errichtung des Testaments weggefallen ist. Das Gesetz geht davon aus, dass der Erblasser den Bedachten in erster Linie wegen seiner Eigenschaft als Abkömmling eingesetzt hat, weshalb auch die Erstreckung auf dessen Abkömmlinge der gesetzlichen Vermutung entspricht. Das OLG konnte daher keine Gründe feststellen, die gegen eine solche Vermutung sprechen.

Hinweis: Will ein Erblasser genau diesen Eintritt der gesetzlichen Vermutung verhindern, muss dies ausdrücklich im Testament erklärt werden.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 20.06.2023 - 3 W 41/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Motiv statt Bedingung: Urlaubsantritt als Anlass zur Testamentserstellung

Wieder einmal musste gerichtlich über die inhaltliche Interpretation eines Testaments entschieden werden. In dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen (LG) ging es darum, ob der vorliegende letzte Wille der Erblasserin sich nur auf eine bestimmte Bedingung - nämlich das Versterben während eines anstehenden Urlaubs - bezog oder aber darüber hinaus Gültigkeit haben sollte.

Wieder einmal musste gerichtlich über die inhaltliche Interpretation eines Testaments entschieden werden. In dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen (LG) ging es darum, ob der vorliegende letzte Wille der Erblasserin sich nur auf eine bestimmte Bedingung - nämlich das Versterben während eines anstehenden Urlaubs - bezog oder aber darüber hinaus Gültigkeit haben sollte.

Die Beteiligten stritten über Pflichtteilsansprüche nach dem Tod der Erblasserin. Die Parteien waren die beiden einzigen Kinder der Erblasserin, die 2021 verstarb. Das Testament der Erblasserin aus dem Jahr 1998 besagte, dass ihr Haus an ihre Tochter geht, während ihre Enkelkinder unter bestimmten Bedingungen Ansprüche auf das Haus erheben können. Einleitend heißt es in dem Testament: "Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Das gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme." Der Sohn schlug die Erbschaft nach dem Tod der Mutter aus und forderte die Schwester auf, ein Nachlassverzeichnis vorzulegen. Im Raum stand nun die Frage, ob es sich bei der Formulierung bezüglich des Urlaubs um eine Bedingung handelte, die für die folgende Verfügung maßgeblich gewesen sei, oder aber, ob es sich lediglich um das Motiv der Erblasserin für die Erstellung eines Testaments gehandelt habe.

Das LG entschied, dass die Erwähnung der Urlaubsreise lediglich den Anlass für die Errichtung darstellte und das Testament unbedingt gelten sollte - ohne an das Versterben während einer Urlaubsreise geknüpft zu sein. Die Auslegung des Testaments legte nahe, dass es sich um eine Motivangabe handelte und somit keine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testaments vorlag. Die inhaltlichen Regelungen des Testaments zeigten zudem keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt der Erblasserin. Weiterhin verwies das LG darauf, dass die Erblasserin das Testament über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten unverändert gelassen hatte, was darauf hindeutete, dass es insgesamt für ihre Erbfolge maßgeblich sein sollte. Das LG verpflichtete die Schwester schließlich zur Auskunft über den Nachlass, da sie aufgrund des Testaments zur Alleinerbin eingesetzt worden war und dem Bruder nach wie vor Pflichtteilsansprüche zustanden. Auf die Ausschlagung der Erbschaft kam es nicht mehr an.

Hinweis: Eine Erbschaftsausschlagung zum Zweck der Geltendmachung des Pflichtteils geht ins Leere, wenn der Pflichtteilsberechtigte testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen ist.


Quelle: LG Hagen, Urt. v. 02.06.2023 - 4 O 265/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Schienen, Wasserstraßen, Menschenansammlung: Bußgeld für Drohnenpiloten nach diversen Ordnungswidrigkeiten

Mit Kamerafahrten, die noch vor nicht allzu langer Zeit nur Profis mit immens hohem technischen Aufwand vorbehalten waren, kann heute dank Drohnen nahezu jeder Hobbypilot beeindruckend punkten. Doch der Blick von oben ist nicht so regelfrei, wie es einige meinen. Das Amtsgericht Schwerin (AG) musste im Folgenden über die korrekte Nutzung des Verkehrsraums, der oberhalb unserer Köpfe liegt, entscheiden.

Mit Kamerafahrten, die noch vor nicht allzu langer Zeit nur Profis mit immens hohem technischen Aufwand vorbehalten waren, kann heute dank Drohnen nahezu jeder Hobbypilot beeindruckend punkten. Doch der Blick von oben ist nicht so regelfrei, wie es einige meinen. Das Amtsgericht Schwerin (AG) musste im Folgenden über die korrekte Nutzung des Verkehrsraums, der oberhalb unserer Köpfe liegt, entscheiden.

Eine nicht gekennzeichnete Drohne flog über eine Bundesfernstraße, eine Bundeswasserstraße, eine Bahnlinie sowie über eine Ansammlung von mehr als 1.000 Personen. Und obwohl es sich bei dem Flugobjekt um eine kleinere Ausführung unterhalb von 250 Gramm handelte, wurden diese Flugmanöver von der Polizei beobachtet.

Der Drohnenführer wurde schließlich vom AG zu einer Geldbuße von 1.250 EUR verurteilt. Er meinte jedoch, alle Abstände zu Schienen und Wasserstraßen eingehalten zu haben. Damit, dass mitten in der Coronazeit eine Menschenansammlung von mehr als 1.000 Personen auftauchen würde, habe er nicht rechnen können. Diese Einwände halfen nicht, da die Polizei den Drohnenführer erkannte - dieser hatte nämlich behauptet, die Drohnen nicht gesteuert zu haben. Zugleich konnten die Ordnungshüter belegen, dass er die vorgeschriebenen Mindestabstände zur Bundesstraße, zur Bundeswasserstraße und zu einer Bahnlinie nicht eingehalten habe. Außerdem flog der Betroffene seine Drohne verbotenerweise über eine Menschenansammlung. Der Betroffene hatte die Drohne zudem nicht mit einer Registrierung versehen. Diese Pflicht gilt aber auch für 249-Gramm-Drohnen, wenn sie - wie hier - eine Kamera haben. Somit habe eine Mehrzahl von Ordnungswidrigkeiten nachgewiesen werden können, die das entsprechende Bußgeld rechtfertigte.

Hinweis: Wer sich wundert, nicht öfters von Urteilen zu verbotenen Drohnenflügen zu lesen - leider gilt auch hier: Wer schwer zu sehen und zudem auch noch extrem flink und wendig ist, hat schlicht und ergreifend bei Missetaten oft die entscheidenden Trümpfe in der Hand.


Quelle: AG Schwerin, Urt. v. 05.04.2023 - 35 OWi 6/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Verbot der Sonntagsbeschäftigung: Wettbewerbsfähigkeit allein ist noch kein Grund für Ausnahmegenehmigung

Grundsätzlich ist in Deutschland die Arbeit an Sonn- und Feiertagen verboten. Doch Unternehmen dürfen in Ausnahmefällen entsprechende Genehmigungen beantragen. Ob im Fall des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) bei einem Onlinemöbelhändler ein solcher Ausnahmefall vorlag, weil er ohne eine Genehmigung im Wettbewerb mit im Ausland befindlichen Unternehmen benachteiligt sei, lesen Sie hier.

Grundsätzlich ist in Deutschland die Arbeit an Sonn- und Feiertagen verboten. Doch Unternehmen dürfen in Ausnahmefällen entsprechende Genehmigungen beantragen. Ob im Fall des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) bei einem Onlinemöbelhändler ein solcher Ausnahmefall vorlag, weil er ohne eine Genehmigung im Wettbewerb mit im Ausland befindlichen Unternehmen benachteiligt sei, lesen Sie hier.

Ein Onlinemöbelhaus beschäftigte über 1.600 Mitarbeiter, davon 215 im Kundendienst. Der Kundenservice wurde aktuell auch an Sonn- und Feiertagen durchgeführt - dann allerdings durch deutschsprachige Beschäftigte in Callcentern in Polen und Irland. Nun beantragte das Onlinemöbelhaus, ausnahmsweise die Sonn- und Feiertagsarbeit für bis zu 14 Beschäftigte im Kundenservice im Homeoffice in Sachsen zu bewilligen. Als das Landesamt für Arbeitsschutz diesen Antrag ablehnte, klagte das Möbelhaus. Es meinte, Kunden seien es gewohnt, den Kundenservice auch sonntags zu erreichen. Andernfalls würden die Kunden zur Konkurrenz abwandern.

Mit dem Argument kam das Möbelhaus beim VG nicht weiter. Zwar erlaubt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die Sonn- und Feiertagsbeschäftigung in Ausnahmefällen. Das geht aber nur, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten die Konkurrenzfähigkeit durch längere Betriebszeiten im Ausland unzumutbar beeinträchtigt sei. Außerdem muss durch die Genehmigung der Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden können. Hier konnten die Richter dem Antrag allerdings nicht stattgeben, da das ArbZG eindeutig dagegen sprach. Das Onlinemöbelhaus nutzte die zulässige Betriebszeit nämlich nicht aus. Die Argumente des Möbelhauses, dass es nicht sinnvoll sei, telefonischen Kundenservice auch nachts anzubieten, weil es dann keine Anfragen gebe, ließ das VG nicht gelten.

Hinweis: Ein Onlinehändler darf also Arbeitnehmer im Kundenservice in Deutschland an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigen. Für ihn gilt nichts anderes als für andere Händler auch.


Quelle: VG Berlin, Urt. v. 27.04.2023 - VG 4 K 311/22
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Keine hinreichende Rechtsgrundlage: Fahrverbot gilt nicht für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge

Dass eine Trunkenheitsfahrt auf sogenannten fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrrad oder neuerdings auch E-Scootern zum Verlust der Fahrerlaubnis führen kann, haben Gerichte bereits entschieden. Ob eine Fahrerlaubnisbehörde hingegen auch eben jenes Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nach einer Trunkenheitsfahrt verbieten darf, musste der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) klären.

Dass eine Trunkenheitsfahrt auf sogenannten fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrrad oder neuerdings auch E-Scootern zum Verlust der Fahrerlaubnis führen kann, haben Gerichte bereits entschieden. Ob eine Fahrerlaubnisbehörde hingegen auch eben jenes Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nach einer Trunkenheitsfahrt verbieten darf, musste der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) klären.

Dem Kläger war wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt im Verkehr 2015 die Fahrerlaubnis für ein Jahr entzogen worden. 2016 beantragte er die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Dies lehnte das Landratsamt ab, da er das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (MPU) nicht beibrachte. Daraufhin verzichtete der Kläger auf einen förmlichen Ablehnungsbescheid. 2021 wurde dem Landratsamt durch polizeiliche Mitteilung bekannt, dass die Polizei den Kläger auf einem dreirädrigen Mofa einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen und dabei deutlichen Alkoholgeruch festgestellt hatte. Die entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 ‰ auf. Wegen dieses Vorfalls verhängte das zuständige Amtsgericht durch Strafbefehl ein Fahrverbot von drei Monaten gegen den Kläger. Das Landratsamt forderte daraufhin den Kläger auf, eine MPU zu absolvieren und das Gutachten vorzulegen. Der Kläger teilte mit, er werde der Aufforderung nicht nachkommen. Die Behörde untersagte daraufhin dem Kläger, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil, das die Anordnung für rechtmäßig hielt, hatte Erfolg. Die Fahrerlaubnisbehörde kann das Führen von Fahrzeugen verbieten, wenn sich jemand - insbesondere durch Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss - als hierzu ungeeignet erweist. Dies gilt aber nicht für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge. Zur Begründung führte das Gericht an, solche Fahrverbote stellten einen schweren Eingriff in die als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit grundrechtlich geschützte Mobilität und eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar. Der entsprechende § 3 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung, auf den die behördliche Praxis die Verbote stützt, kann nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, denn er regele die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend. Eine Übertragung der Maßstäbe für das Führen von Kraftfahrzeugen auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern ist wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotentials ebenfalls nicht möglich.

Hinweis: Umstritten war dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen untersagt werden kann. Diese Frage hat der VGH nun geklärt: Das geltende Recht bietet demnach keine Grundlage für ein Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Der unterlegene Freistaat Bayern kann gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht Revision einlegen.


Quelle: Bayerischer VGH, Urt. v. 17.04.2023 - 11 BV 22.1234
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Gleichstellungsbeauftragte: Generell erteilte Zustimmung reicht für befristete Einstellung eines Lehrers aus

In vielen Bundesländern müssen neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragten bei Einstellungen zustimmen - so auch in Nordrhein-Westfalen (NRW), wo sich der folgende Fall zugetragen hat. Hier war es am Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) zu entscheiden, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, wenn die Gleichstellungsbeauftragte bei der Einstellung nicht beteiligt worden ist.

In vielen Bundesländern müssen neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragten bei Einstellungen zustimmen - so auch in Nordrhein-Westfalen (NRW), wo sich der folgende Fall zugetragen hat. Hier war es am Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) zu entscheiden, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, wenn die Gleichstellungsbeauftragte bei der Einstellung nicht beteiligt worden ist.

Der befristet beschäftigte Lehrer meinte, seine Befristung wäre unwirksam, da insbesondere die Gleichstellungsbeauftragte bei seiner Einstellung nicht beteiligt worden sei. Deshalb sei er unbefristet zu beschäftigen. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass in NRW neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragte einer Einstellung zustimmen muss. Hier aber hatte das zuständige Dezernat der Bezirksregierung mit den Gleichstellungsbeauftragten aller Schulformen eine Vereinbarung geschlossen. Danach erteilten die Gleichstellungsbeauftragten die - im Einzelfall widerrufliche - Zustimmung. Ein mögliches Rückholrecht bestand im Einzelfall zudem.

Das LAG hielt die Befristung daher für rechtmäßig und wies die Klage ab. Nach dem nordrhein-westfälischen Recht sind solche Verfahrensvereinbarungen ausdrücklich vorgesehen. Alleine der Umstand, dass die Gleichstellungsbeauftragte im konkreten Fall nicht von der Befristung des Arbeitsvertrags unterrichtet wurde, stand der Wirksamkeit der Befristung angesichts der generellen Zustimmung zu auch befristeten Einstellungen nicht entgegen.

Hinweis: Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung richtig ist.


Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 19.05.2023 - 7 Sa 770/22
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Abwicklungs- statt Dauertestamentsvollstreckung: Entlassung aus dem Amt als Testamentsvollstreckerin wegen grober Pflichtverletzungen

Testamentsvollstrecker können von den Erblassern mit unterschiedlichen Aufgaben im Hinblick auf die Aufgabe selbst, aber auch in Bezug auf die Dauer der Testamentsvollstreckung betraut werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich mit der Abberufung einer Testamentsvollstreckerin aus ihrem Amt beschäftigen, die sich hierbei nicht an die Vorgaben hielt.

Testamentsvollstrecker können von den Erblassern mit unterschiedlichen Aufgaben im Hinblick auf die Aufgabe selbst, aber auch in Bezug auf die Dauer der Testamentsvollstreckung betraut werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich mit der Abberufung einer Testamentsvollstreckerin aus ihrem Amt beschäftigen, die sich hierbei nicht an die Vorgaben hielt.

Der Erblasser hatte in seinem notariellen Testament verfügt, dass seine zweite Ehefrau und seine Kinder aus erster Ehe zu Miterben eingesetzt werden. Die Ehefrau ernannte er zur Testamentsvollstreckerin. Insoweit heißt es in dem Testament: "Ich ordne zur Abwicklung meines Nachlasses Testamentsvollstreckung an: Mit der Abwicklung des Nachlasses ist die Testamentsvollstreckung beendet. Verkaufsverhandlungen über meine Doppelhaushälfte in Grünwald, (...), führt ausschließlich meine Ehefrau. Sie legt die Bedingungen des Verkaufs und den Zeitpunkt des Verkaufs eigenverantwortlich fest, ohne dass ihr die anderen Erben Weisungen erteilen können." In der Folge verkaufte die Testamentsvollstreckerin die Immobilie aber nicht - sie vermietete diese vielmehr und erhielt die Mieteinnahmen auf ihr privates Konto. Der Antrag der Kinder des Erblassers auf Entlassung der Ehefrau aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin war erfolgreich.

Auch das OLG sah in dem Verhalten der Ehefrau eine grobe Pflichtverletzung, die zu einer Entlassung aus dem Amt als Testamentsvollstreckerin führte. Zum einen handelte es sich laut dem Testament um eine Abwicklungsvollstreckung und nicht - wie die Ehefrau meinte - um eine Dauertestamentsvollstreckung. Allein der Umstand, dass der Erblasser keine Frist für die Veräußerung gesetzt hatte, änderte an dieser Tatsache nichts. Die Abwicklung hatte mit "tunlicher Beschleunigung" zu erfolgen. Darüber hinaus sah das OLG auch in der Vereinnahmung der Mieten in das private Vermögen der Ehefrau eine unzulässige Vermischung, die eine weitere grobe Pflichtverletzung darstellte.

Hinweis: Auch Mietsicherheiten (Kautionen) müssen vom Vermögen des Testamentsvollstreckers separat verwahrt werden.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 25.05.2023 - 33 Wx 36/23 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Chaos durch Nachlassgericht: OLG Celle rügt grobe Unrichtigkeit richterlicher Erbscheine

Auch Gerichte machen Fehler. Und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle (OLG) nehmen diese Fehler im Bereich des Erbrechts im Land Niedersachsen derart zu, dass das Ansehen der Justiz in Gefahr scheint. Was war passiert? So einiges, wie Sie hier lesen können.

Auch Gerichte machen Fehler. Und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle (OLG) nehmen diese Fehler im Bereich des Erbrechts im Land Niedersachsen derart zu, dass das Ansehen der Justiz in Gefahr scheint. Was war passiert? So einiges, wie Sie hier lesen können.

Die Eheleute hatten im Jahr 2019 ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Wortlaut aufgesetzt: "Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Erstversterbende vermacht dem überlebenden Ehegatten an seinem gesamten Nachlass den Nießbrauch auf Lebenszeit. Der einzige Erbe nach dem Längstlebenden von uns ist unser Sohn, der das Haus und Guthabenbeträge auf der Bank und Sparkonten vorweg erhalten soll."

Nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 2022 beantragte die überlebende Ehefrau einen Alleinerbschein. Gleichzeitig beantragte der Sohn ebenfalls einen Erbschein "bezüglich des Hauses und der Guthaben bei den Banken". Mit Datum vom 16.02.2023 wurde ein "gemeinschaftlicher Erbschein" ausgestellt: Der Erblasser sei von der Ehefrau und dem Sohn beerbt worden. Die Ehefrau "hat den gesamten Nachlass des Erblassers beerbt, mit Ausnahme des Anteils des Erblassers des Grundbesitzes sowie der Guthabenbeträge auf der Bank". Der Sohn "beerbt den Erblasser bezüglich dessen Guthabenbeträgen auf der Bank sowie seines Anteils an dem Grundbesitz".

Auf Veranlassung durch das Grundbuchamt hat das Nachlassgericht - zwischenzeitlich war ein Richterwechsel erfolgt - den Erbschein wegen offensichtlicher Unrichtigkeit eingezogen. In der Folge erließ das Nachlassgericht einen weiteren Erbschein, wonach der Erblasser von der Ehefrau und dem Sohn je zu 1/2 Anteil beerbt worden sei.

Auf die Beschwerde des Sohns hin wurde auch dieser Erbschein durch das Nachlassgericht nach einem weiteren Richterwechsel eingezogen, weil er aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt worden sei. Nunmehr kam das Nachlassgericht zu der Erkenntnis, dass der Erblasser allein durch seine Ehefrau aufgrund des Testaments beerbt worden sei.

Das OLG hatte in dem Fall einiges zu kritisieren. Der erste Erbschein verkenne die Grundlagen des Erbrechts. Das Vermögen des Erblassers geht insgesamt und ungeteilt auf den oder die Erben über. Eine Erbeinsetzung auf bestimmte Gegenstände gibt es - anders als der Erbschein unterstellt - nicht. Geht das Vermögen des Erblassers nicht auf einen Alleinerben über, sondern auf mehrere Erben, erben diese weder einzelne Gegenstände noch Miteigentumsanteile an den Erbschaftsgegenständen, sondern quotenmäßig bestimmte Anteile am gesamten Nachlass. Auch der zweite Erbschein war grob fehlerhaft, da er ohne ersichtlichen Grund von einer gesetzlichen Erbfolge ausgegangen sei. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute wurde vollständig ignoriert. Darüber hinaus war ein solcher gemeinschaftlicher Erbschein zu keinem Zeitpunkt beantragt worden. Das OLG hat das Verfahren an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Stellt sich ein erteilter Erbschein im Nachhinein als unrichtig heraus, ist er von Amts wegen einzuziehen.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.06.2023 - 6 W 65/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Kein Mitbestimmungsrecht: Betriebsrat muss bei Gehaltskürzung seines Vorsitzenden nicht gefragt werden

Hintergrund dieses Verfahrens ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Anfang des Jahres, wonach die Vergütung von Betriebsräten bei Volkswagen viel zu hoch gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) wurde daher mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob es sich bei der Gehaltskürzung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden um eine Umgruppierung gehandelt habe, an der der Betriebsrat hätte beteiligt werden müssen.

Hintergrund dieses Verfahrens ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Anfang des Jahres, wonach die Vergütung von Betriebsräten bei Volkswagen viel zu hoch gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) wurde daher mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob es sich bei der Gehaltskürzung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden um eine Umgruppierung gehandelt habe, an der der Betriebsrat hätte beteiligt werden müssen.

Es ging um ein Großkraftwerk mit 500 Arbeitnehmern und einem elfköpfigen Betriebsrat. Der Betriebsratsvorsitzende, der bereits 1994 in den Betriebsrat gewählt wurde, war seit dem Jahr 1998 von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Vorsitzender des Betriebsrats wurde er im März 2002. Bis zu seiner Freistellung war er als Schlosser tätig und wurde nach dem Haustarifvertrag eingruppiert und bezahlt. Seit 2006 wurde er als außertariflicher Angestellter geführt und vergütet. Im Jahr 2011 erhielt er sogar noch einen Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit. Mitte letzten Jahres kürzte das Unternehmen dann die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden und entzog ihm den Dienstwagen.

Die Vergütung sei nach Auffassung des Arbeitgebers auf Grundlage der Vergütungsentwicklung derjenigen Arbeitnehmer zu ermitteln, die mit dem Betriebsratsvorsitzenden vor dessen Amtsantritt als Betriebsrat vergleichbar gewesen sind. Außerdem seien die Regelungen aus dem Haustarifvertrag zu beachten. Das Betriebsratsgremium meinte nun, dass es sich bei der Vergütungskürzung um eine Umgruppierung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes handeln würde. Bei Umgruppierungen sei jedoch der Betriebsrat zu beteiligen. Daher leitete dieser ein Beschlussverfahren ein und verlangte, dass er bei der Kürzung der Vergütung seines Vorsitzenden mitzubestimmen hätte.

Das LAG sah dies anders. Das Unternehmen musste den Betriebsrat nicht beteiligen. Der Betriebsratsvorsitzende übte schließlich gar keine Tätigkeiten aus, die in Anwendung einer einschlägigen kollektiven Vergütungsordnung im Sinne einer Eingruppierung bzw. Umgruppierung hätte bewertet werden können. Die Ermittlung des Vergleichsentgelts und die hierauf erfolgte Vergütungskürzung beruhten vielmehr auf einer bloßen Durchschnittsberechnung der von anderen Arbeitnehmern bezogenen Vergütung.

Hinweis: Das Gericht hat ausdrücklich nicht über die Frage entschieden, ob die Gehaltskürzung und der Entzug des Dienstwagens rechtmäßig waren. Das wird vermutlich Gegenstand eines weiteren Gerichtsverfahrens zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Unternehmen sein.


Quelle: LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.05.2023 - 12 TaBV 1/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Für E-Fahrzeuge mit Parkschein! Zwei übereinanderhängende Zusatzzeichen bedingen einander

Die Unterschiede von "übereinander" und "nebeneinander" sind in diesem Fall, der vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) landete, womöglich von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dass bereits höchstrichterlich entschieden wurde, dass sich ein Zusatzzeichen auf das unmittelbar über ihm befindliche Verkehrszeichen bezieht, gilt sogar für den Fall, dass sich ein weiteres Zusatzzeichen dem vorigen anschließt. Zu kompliziert? Dann lesen Sie selbst.

Die Unterschiede von "übereinander" und "nebeneinander" sind in diesem Fall, der vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) landete, womöglich von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dass bereits höchstrichterlich entschieden wurde, dass sich ein Zusatzzeichen auf das unmittelbar über ihm befindliche Verkehrszeichen bezieht, gilt sogar für den Fall, dass sich ein weiteres Zusatzzeichen dem vorigen anschließt. Zu kompliziert? Dann lesen Sie selbst.

Anfang des Jahres 2019 wurde ein kraftstoffbetriebenes Fahrzeug abgeschleppt, weil es verbotswidrig geparkt war. An der Stelle erlaubte ein Verkehrszeichen zwar das Parken, jedoch wurde dies mit einem Zusatzzeichen auf Elektrofahrzeuge beschränkt. Ein weiteres - unter dem ersten Zusatzzeichen - angebrachtes Zusatzzeichen regelte ferner, dass dafür zudem ein Parkschein erforderlich sei. Der Fahrzeughalter war jedoch der Auffassung, dass beide Zusatzzeichen eine alternative Parkerlaubnis regelten, und erhob daher gegen den Kostenbescheid Klage. Netter Versuch, doch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) wies seine Klage ab.

Das OVG bestätigte die Entscheidung des VG und ließ die Berufung daher nicht zu. Der Kostenbescheid sei rechtmäßig, da die Abschleppmaßnahme rechtmäßig war. Der Kläger hat gegen die auf Elektrofahrzeuge mit Parkschein beschränkte Parkerlaubnis verstoßen. Diese Parkregelung war für jedermann erkennbar. Das weitere Zusatzzeichen sei als Zusatzzeichen des Zusatzzeichens anzusehen - regelt also eine zusätzliche Bedingung für ein ordnungsgemäßes Parken und stellt keine Alternative zur ersten Bedingung dar. Die Abschleppmaßnahme war nach Auffassung des OVG daher auch verhältnismäßig.

Hinweis: Es lag eine Verkehrsbehinderung vor, da der Parkplatz und somit die Ladestation für gesetzlich privilegierte Elektrofahrzeuge für die Dauer des Parkvorgangs des Klägers nicht zur Verfügung gestanden haben. Es komme dabei nicht darauf an, ob konkret in diesem Zeitraum ein Bedarf bestanden hat oder weitere Parkplätze mit Ladestationen frei waren.


Quelle: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.04.2023 - 5 A 3180/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)