Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Flug als Gesamtheit: Starts oder Landungen außerhalb der EU

Startet oder landet ein Flugzeug mit Verspätung, können sich für die Reisenden nach der EU-Fluggastrechteverordnung Ansprüche ergeben. Wie es sich mit Starts oder Landungen außerhalb der EU verhält, musste der Bundesgerichtshof (BGH) klarstellen.

Startet oder landet ein Flugzeug mit Verspätung, können sich für die Reisenden nach der EU-Fluggastrechteverordnung Ansprüche ergeben. Wie es sich mit Starts oder Landungen außerhalb der EU verhält, musste der Bundesgerichtshof (BGH) klarstellen.

Eine Frau hatte über ein Reisebüro einen Flug mit der Fluggesellschaft S von Stuttgart nach Zürich, dann Flüge von Zürich nach Philadelphia und schließlich von Philadelphia nach Kansas City gebucht. Der erste und der zweite Flug wurden planmäßig durchgeführt, auf der letzten Teilstrecke startete der Flug allerdings verspätet. Die Frau erreichte Kansas City schließlich mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden und verlangte daraufhin eine Ausgleichszahlung von 600 EUR. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Das sah der BGH anders. Die Fluggastrechteverordnung ist anwendbar für Fluggäste, die ihren Flug im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten. Aus der Fluggastrechteverordnung folgt, dass die Verordnung auch anzuwenden ist, wenn der Fluggast seinen endgültigen Zielort über direkte Anschlussflüge erreicht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung bei einem Flug mit direkten Anschlussflügen unter Berücksichtigung des ersten Abflugorts und des Endziels zu beurteilen, wenn der Flug als eine Gesamtheit anzusehen ist. Der Begriff "direkte Anschlussflüge" ist dahin zu verstehen, dass er zwei oder mehr Flüge bezeichnet, die für die Zwecke des in der Verordnung geregelten Ausgleichsanspruchs von Fluggästen eine Gesamtheit darstellen. Eine solche Gesamtheit liegt vor, wenn zwei oder mehrere Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung waren. Hier war der Abflugort Stuttgart und lag damit in einem Mitgliedstaat der EU.

Hinweis: Bei verspäteten Flügen sollten Reisende stets prüfen, ob sie Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung haben. Die Entschädigung beträgt je nach gebuchter Flugstrecke zwischen 125 EUR und 600 EUR.


Quelle: BGH, Urt. v. 09.05.2023 - X ZR 15/20
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2023)

Gekündigter Gewerberaummietvertrag: Kein Zurückbehaltungsrecht bei fehlender Rechnung für Gewerberäume

Für Gewerbetreibende ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten. Sie wird eingenommen und an das Finanzamt abgeführt. Wer als Gewerbetreibender etwas kauft, erhält die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet. Voraussetzung für Letzteres: das Vorliegen einer Rechnung. Wie verhält es sich aber hinsichtlich dieser Regelung im Mietrecht? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste hierauf eine Antwort finden.

Für Gewerbetreibende ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten. Sie wird eingenommen und an das Finanzamt abgeführt. Wer als Gewerbetreibender etwas kauft, erhält die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet. Voraussetzung für Letzteres: das Vorliegen einer Rechnung. Wie verhält es sich aber hinsichtlich dieser Regelung im Mietrecht? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste hierauf eine Antwort finden.

Ein Mann mietete Gewerberäume mit einer festen Laufzeit von zwei Jahren. Im Mietvertrag vereinbarten die Parteien eine monatlich im Voraus zu zahlende Nettokaltmiete von 1.650 EUR zuzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer. In dem Gewerberaummietvertrag war die Steuernummer der Vermieterin angegeben. Trotzdem zahlte der Mann die Miete nicht. Kurze Zeit später kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs von mehr als zwei Monatsmieten und erhob schließlich eine Klage auf Zahlung rückständiger Mieten über fast 43.000 EUR. Der Mieter berief sich auf ein angebliches Zurückbehaltungsrecht. Er war der Ansicht, die vorgelegte Dauerrechnung genüge nicht den Anforderungen des § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG), enthalte insbesondere nicht alle erforderlichen Angaben, etwa diejenige der Rechnungsnummer. Sein Zurückbehaltungsrecht habe er durch schlichte Nichtzahlung ausgeübt. Dazu sei er bis zur Vorlage einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Rechnung berechtigt gewesen.

Mit dieser Argumentation kam er vor dem OLG jedoch nicht durch. Die Rechnungslegung nach dem UStG ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich keine Fälligkeitsvoraussetzung. Das bloße Schweigen auf die Leistungsaufforderung und die Verweigerung der Leistung ohne gleichzeitige Geltendmachung des Gegenanspruchs stellten zudem noch keine Ausübung des Zurückbehaltungsrechts dar.

Hinweis: Der Vermieter muss dem Mieter also tatsächlich eine Rechnung im Gewerbesteuermietrecht erteilen. Wird diese nicht erteilt, führt das aber nicht dazu, dass der Mieter einfach nicht zahlen muss.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 14.03.2023 - 3 U 16/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Ablehnung der Einstandspflicht: Selbstbelastung gegenüber Versicherung unterliegt der Mitwirkungspflicht

Im Strafverfahren muss niemand belastende Aussagen gegen sich selbst tätigen. Wie das im Verhältnis zum eigenen Versicherer aussieht, musste das Landgericht Osnabrück (LG) klären. Dabei ging es immerhin um die nicht unerhebliche Schadenshöhe von rund 640.000 EUR.

Im Strafverfahren muss niemand belastende Aussagen gegen sich selbst tätigen. Wie das im Verhältnis zum eigenen Versicherer aussieht, musste das Landgericht Osnabrück (LG) klären. Dabei ging es immerhin um die nicht unerhebliche Schadenshöhe von rund 640.000 EUR.

Anfang 2018 wurde die Inneneinrichtung eines Restaurants in Osnabrück durch ein Feuer erheblich beschädigt. Die Versicherungsnehmerin hatte den Vorfall unmittelbar der Versicherung angezeigt, und diese versandte wenige Wochen später einen Katalog mit 20 Fragen zur weiteren Bearbeitung des Vorgangs. Die Betreiberin des Restaurants beauftragte Unternehmen mit der Regulierung des Schadensfalls und ließ sich durch mehrere Rechtsanwälte vertreten. Erst mehr als sechs Monate später beantwortete einer der Rechtsanwälte die Fragen des Versicherers. Da die Fragen teilweise nicht bzw. nur unvollständig beantwortet worden waren, setzte die Versicherung eine Frist zur ergänzenden Beantwortung. Sie wies auf die Regelung zu § 28 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz hin, wonach eine Leistungskürzung oder eine Ablehnung der Einstandspflicht möglich sei, wenn der Versicherungsnehmer seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Schadensfalls nicht nachkomme. Eine weitergehende Beantwortung erfolgte dennoch nicht. Rund fünf Monate später erklärte der Versicherer, dass er die Deckung des Schadens ablehne, da die Versicherungsnehmerin ihrer Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Daraufhin klagte die Versicherungsnehmerin gegen die Versicherung - mit wenig Erfolg.

Das LG meinte, dass eine Frage an den Versicherungsnehmer dann zulässig ist, wenn die Beantwortung der Frage für die Einschätzung des Versicherers von Relevanz sein kann, ob eine Einstandspflicht besteht. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass sich die Beantwortung der Frage tatsächlich als wesentlich erweist. Der im Strafrecht geltende Grundsatz, wonach sich niemand selbst zu belasten braucht, gilt im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht. Somit erhielt die Restaurantbetreiberin kein Geld von ihrer Versicherung.

Hinweis: Und warum das Ganze? Es bestand der Verdacht einer vorsätzlichen Brandstiftung. In einem Strafverfahren wurde ein Dritter aus dem Umfeld der Versicherungsnehmerin, welcher der Brandlegung verdächtigt worden war, zwar freigesprochen. Dennoch bleibt hier zu mutmaßen, dass die Frau dies zum Anlass genommen hat, nur unvollständig Stellung zu den Fragen ihrer Versicherung zu nehmen.


Quelle: LG Osnabrück, Urt. v. 24.05.2023 - 9 O 3254/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2023)

Lockdowns und Nutzungseinschränkungen: Nur schwere Verletzung von Vertragspflichten rechtfertigt Fitnessstudiokündigung

Kein Monat ohne Entscheidungen rund um die rechtlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Man ahnt, dass dies bei den verschiedenen rechtlichen Bereichen zu diesem Thema noch eine ganze Weile andauern wird. Denn auch für die Rechtsprechung war und ist die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen ein weites Feld. Daher ging die Frage, wann der Vertrag mit dem Fitnessstudio kündbar ist - und wann eben nicht - auch bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Kein Monat ohne Entscheidungen rund um die rechtlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Man ahnt, dass dies bei den verschiedenen rechtlichen Bereichen zu diesem Thema noch eine ganze Weile andauern wird. Denn auch für die Rechtsprechung war und ist die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen ein weites Feld. Daher ging die Frage, wann der Vertrag mit dem Fitnessstudio kündbar ist - und wann eben nicht - auch bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Eine Frau war seit Dezember 2019 Mitglied in einem Fitnessstudio. Die Laufzeit des Vertrags betrug 100 Wochen - also knapp zwei Jahre. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Betreiberin das Fitnessstudio von Mitte März bis Mitte Mai im ersten sogenannten Lockdown schließen. Die Mitgliedsbeiträge von monatlich 34,95 EUR zog das Studio zwar weiterhin vom Konto der Frau ein, bot ihr dafür aber kostenlose Trainingswochen nach Wiedereröffnung des Fitnessstudios an. Am 31.05.2020 unterzeichnete die Sportlerin einen "Ruhezeitantrag" über eine Unterbrechung der Mitgliedschaft für zehn Wochen. Nach der Wiedereröffnung des Fitnessstudios bestanden aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verschiedene Nutzungseinschränkungen, insbesondere konnten die Duschen und die Sauna nicht genutzt werden. Am 02.11.2020 musste das Fitnessstudio dann erneut schließen. Während dieses zweiten Lockdowns, der bis zum 31.05.2021 dauerte, zog das Fitnessstudio keine Mitgliedsbeiträge ein. Die Sportlerin kündigte ihre Mitgliedschaft im November 2020 dennoch. Als das Fitnessstudio die Kündigung nicht akzeptierte, legte sie eine Klage ein auf Feststellung, dass das Vertragsverhältnis beendet ist - ohne Erfolg.

Die außerordentliche Kündigung eines Fitnessstudiovertrags durch die Kundin mit der Begründung, sie könne wegen pandemiebedingten Betriebsschließungen und -beschränkungen das Fitnessstudio nicht im vertraglich vereinbarten Umfang nutzen, kommt nur im Ausnahmefall in Betracht. Die Verletzung vertraglicher Pflichten berechtigt zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nur, wenn sie so schwerwiegend ist, dass durch sie das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern in einem Maß beeinträchtigt wird, dass der Kündigenden ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Und dies war laut BGH vorliegend nicht der Fall.

Hinweis: Wegen coronabedingter Schließungen durften also in der Regel Fitnessstudioverträge nicht außerordentlich gekündigt werden. Das wird insolventen Fitnessstudiobetreibern nun aber auch nicht mehr helfen.


Quelle: BGH, Urt. v. 19.04.2023 - XII ZR 24/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2023)

Verletzung der Aufklärungspflicht: Makler haftet, wenn sein Expose die Existenz eines Überbaus unterschlägt

Wer eine Immobilie kauft, verlässt sich häufig auf den Makler. Wie es sich mit Fehlern auf Maklerseite verhält, war Kern des Prozesses, den das Landgericht Lübeck (LG) zu verhandeln hatte. Ob hier Absicht oder nur Schlamperei vorgelegen hat, ist unklar. Fakt aber war, dass das vom Makler erstellte Expose einen Fehler enthielt, der zu einer Schadensersatzforderung führte.

Wer eine Immobilie kauft, verlässt sich häufig auf den Makler. Wie es sich mit Fehlern auf Maklerseite verhält, war Kern des Prozesses, den das Landgericht Lübeck (LG) zu verhandeln hatte. Ob hier Absicht oder nur Schlamperei vorgelegen hat, ist unklar. Fakt aber war, dass das vom Makler erstellte Expose einen Fehler enthielt, der zu einer Schadensersatzforderung führte.

Ein Maklerbüro hatte eine Doppelhaushälfte zum Kauf angeboten und ein entsprechendes Expose erstellt. Dieses beinhaltete auch einen Ausschnitt aus der Flurkarte des Katasteramts als Lageplan. Um das Grundstück auf diesem Lageplan zu kennzeichnen, hob ein Mitarbeiter des Maklerbüros die Grenzlinien des Grundstücks digital mit einer breiten roten Linie hervor, die somit eine feinere schwarze Linie überdeckte, mit der die Grundstücksgrenze zuvor auf der Flurkarte bezeichnet war. Einen Hinweis auf einen Überbau enthielt das Expose in seiner Beschreibung nicht. Auch bei der Besichtigung und im weiteren Verlauf wurden die Käufer nicht über einen Überbau aufgeklärt. Die Käufer erwarben dann auch das Grundstück in Unkenntnis über die Existenz des Überbaus und des Umstands, dass sich die Einfriedung des Grundstücks nicht auf der Grundstücksgrenze befand. Später trugen sie vor, sie hätten das Grundstück in Kenntnis dieser Besonderheiten gar nicht oder nur zu einem niedrigen Kaufpreis gekauft. Daher sei ihnen ein Schaden von 14.000 EUR entstanden. Diese Summe klagten sie ein.

Die Summe haben sie auch fast komplett erhalten. Denn laut LG haftet ein Makler einem Grundstückskäufer gegenüber mit Schadensersatz, wenn er in einem dem Expose beigefügten Katasterauszug die Grundstücksgrenzen durch eine rote Umrandung so bearbeitet hat, dass ein ursprünglich deutlich sichtbarer Überbau nicht mehr zu erkennen ist und deswegen unerkannt bleibt.

Hinweis: Beachten Makler ihre Sorgfaltspflichten nicht, entstehen häufig Ansprüche auf Schadensersatz. Ob das der Fall ist, kann der Rechtsanwalt des Vertrauens prüfen.


Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 15.05.2023 - 10 O 315/21
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Arglist nicht nachweisbar: Keine Anzeichen für akuten Marderbefall beim Hausverkauf

Mängel am Haus sollte der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss mitteilen und auch im notariellen Kaufvertrag festhalten. Wenn dem Verkäufer ein Schaden zum Zeitpunkt des Verkaufs jedoch nicht bekannt ist, soll ihm daraus auch später kein Strick gedreht werden können. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) musste diese Regelung nun in die Realität übersetzen, bei der es - wie so oft - darum ging, Beweise zu erbringen, die manchmal nur schwerlich zu erbringen sind.

Mängel am Haus sollte der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss mitteilen und auch im notariellen Kaufvertrag festhalten. Wenn dem Verkäufer ein Schaden zum Zeitpunkt des Verkaufs jedoch nicht bekannt ist, soll ihm daraus auch später kein Strick gedreht werden können. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) musste diese Regelung nun in die Realität übersetzen, bei der es - wie so oft - darum ging, Beweise zu erbringen, die manchmal nur schwerlich zu erbringen sind.

Eine Frau kaufte ein Haus. Während der nachfolgenden Renovierungsarbeiten sechs Monate später stellte sie Schäden an der Wärmedämmung am Dach fest. Sie holte ein Gutachten ein, aus dem sich ergab, dass in der Vergangenheit mehrere Marder auf dem Dachboden gelebt hatten, was zu erheblicher Geräuschentwicklung, erheblicher Kotansammlung und Schäden in der Dämmung geführt hatte. Sie verlangte deshalb von dem Verkäufer Schadensersatz. Der Verkäufer wies eine Haftung zurück. Ihm sei von einem Marderbefall nichts bekannt gewesen. Deshalb klagte die Frau - vergeblich.

Vor dem OLG konnte die Käuferin schlichtweg nicht beweisen, dass ihr der Verkäufer einen akuten Marderbefall arglistig verschwiegen hatte. Schließlich war ihr selbst der Befall auch erst sechs Monate später anlässlich der Renovierung aufgefallen. Der Verkäufer hatte das Haus auch nur zwei Jahre bewohnt. Zwar hatte ihm der Vorbesitzer von einem Marderbefall berichtet. Es ist aber für das Gericht durchaus glaubhaft gewesen, dass der Verkäufer keine Anzeichen für einen akuten Marderbefall bemerkt habe. Insofern bestand auch keine Aufklärungspflicht, und ein arglistiges Verhalten war nicht zu beweisen.

Hinweis: Natürlich gehört ein Gewährleistungsausschluss für den Verkäufer in jeden notariellen Kaufvertrag über eine Wohnung oder ein Haus. Der greift jedoch nicht, wenn der Verkäufer Mängel bewusst oder arglistig verschwiegen hat.


Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 07.03.2023 - 12 U 130/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Beweislast beim Mieter: Verzug der Mietzahlung nach angeblicher Zahlung ohne vermieterseitigen Geldeingang

Schon viele Urteile gab es zu der Frage, bis wann Miete beim Vermieter eingegangen sein muss. Daher gehört es für die meisten Mieter auch schon zum Allgemeinwissen, dass sie alles daran setzen sollten, ihre Miete immer pünktlich zu zahlen - egal, woran es sonst noch mangelt. Der folgende Fall des Landgerichts Berlin (LG) stellt klar, was passiert, wenn sich Mieter und Vermieter uneinig sind, ob die Mietforderung beglichen wurde.

Schon viele Urteile gab es zu der Frage, bis wann Miete beim Vermieter eingegangen sein muss. Daher gehört es für die meisten Mieter auch schon zum Allgemeinwissen, dass sie alles daran setzen sollten, ihre Miete immer pünktlich zu zahlen - egal, woran es sonst noch mangelt. Der folgende Fall des Landgerichts Berlin (LG) stellt klar, was passiert, wenn sich Mieter und Vermieter uneinig sind, ob die Mietforderung beglichen wurde.

Es ging um eine Räumungsklage, da die Mieter für mindestens fünf Monate die Miete angeblich nicht gezahlt hatten. Die Mieter waren jedoch ganz anderer Ansicht. Sie behaupteten, tatsächlich die Zahlungen getätigt zu haben, und legten Unterlagen ihrer Bank vor, aus denen sich ergab, dass insgesamt über 3.000 EUR an Mietzahlungen überwiesen und nicht zurückgezogen worden waren. Aber auch die Vermieterin legte umfangreiche Unterlagen ihres Kreditinstituts vor, aus denen sich ergab, dass sie keine Überweisungen erhalten hatte. So musste das Gericht entscheiden, wer was zu beweisen hat.

Zunächst stellte das LG klar, dass Mieter mit der laufenden Miete nicht in Verzug kommen, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später - wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin - tatsächlich gutgeschrieben wird. Bestreitet der Vermieter allerdings die Gutschrift, tragen die Mieter die Beweislast für den Zahlungseingang. Können diese den Beweis nicht erbringen, geraten sie in Verzug. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie die Zahlungen nicht unverzüglich erneut vornehmen, nachdem sie vom Vermieter auf deren bislang unterbliebenen Eingang hingewiesen worden sind.

Hinweis: Sind zwei Monatsmieten offen, kann der Vermieter kündigen. Und das geht ganz schnell: Wird auch nur eine Monatsmiete gar nicht gezahlt, und ist die Folgemiete ebenfalls verspätet eingegangen, ist der Vermieter zur Kündigung berechtigt.


Quelle: LG Berlin, Urt. v. 25.04.2023 - 67 S 103/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Zwangsvollstreckung bei Mietschulden: Kein Recht auf Erteilung eines Erbscheins bei Schulden, die erst nach dem Tod entstanden sind

Das Recht zur Erteilung eines Erbscheins an den oder die Erben kann sicher als der Regelfall betrachtet werden. Allerdings kann auch der Gläubiger eines Erblassers einen Erbschein beantragen, soweit er diesen zum Zweck einer Zwangsvollstreckung benötigt. Doch in diesem Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) wurde ein entscheidendes Detail übersehen.

Das Recht zur Erteilung eines Erbscheins an den oder die Erben kann sicher als der Regelfall betrachtet werden. Allerdings kann auch der Gläubiger eines Erblassers einen Erbschein beantragen, soweit er diesen zum Zweck einer Zwangsvollstreckung benötigt. Doch in diesem Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) wurde ein entscheidendes Detail übersehen.

Denn hier hatte der Erblasser Mietschulden hinterlassen, die erst nach seinem Tod entstanden sind. Der Gläubiger hatte daraufhin gegen zwei von vier gesetzlich in Betracht kommende Erben Vollstreckungsbescheide erwirkt und beantragte die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die vier Enkel als Erben ausweisen sollte.

Sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG lehnten den Antrag jedoch unter anderem aus formalen Gründen ab. Der Gläubiger berufe sich gerade nicht darauf, Ansprüche gegen den Erblasser zu haben. Der Gläubiger hat vielmehr die Titel unmittelbar gegen dessen vermeintliche Erben für Mietschulden erwirkt, die erst nach dem Tod des Erblassers entstanden sind. Daher gebe es kein Antragsrecht auf Erteilung eines Erbscheins durch den Gläubiger.

Hinweis: Anders wäre es, wenn es sich um Schulden gehandelt hätte, die bereits vor dem Tod des Erblassers entstanden waren, oder der Gläubiger bereits einen Vollstreckungstitel gegen den Erblasser erwirkt hat.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 19.06.2023 - 3 W 55/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Mangelnder Ermittlungseifer: Fahrtenbuchauflage aufgehoben, nachdem Naheliegendes liegenblieb

Wer sich als Privatperson auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, möchte zumeist Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, direkte Verwandte oder Verschwägerte, Pflegeeltern oder auch Pflegekinder schützen. Bei dieser  Ahndung einer Ordnungswidrigkeit ersparten sich Straßenverkehrsbehörde und Kreis aber weitere Gedanken, warum sich eine Fahrzeughalterin mit eben jenem Grund weigerte, als Zeugin an der Ermittlung des Fahrers mitzuwirken. Der daraufhin erteilten Fahrtenbuchauflage machte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) zu Recht einen Strich durch die Rechnung.

Wer sich als Privatperson auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, möchte zumeist Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, direkte Verwandte oder Verschwägerte, Pflegeeltern oder auch Pflegekinder schützen. Bei dieser  Ahndung einer Ordnungswidrigkeit ersparten sich Straßenverkehrsbehörde und Kreis aber weitere Gedanken, warum sich eine Fahrzeughalterin mit eben jenem Grund weigerte, als Zeugin an der Ermittlung des Fahrers mitzuwirken. Der daraufhin erteilten Fahrtenbuchauflage machte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) zu Recht einen Strich durch die Rechnung.

Mit dem Pkw der Klägerin wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 26 km/h überschritten - eine Ordnungswidrigkeit, die regelmäßig mit einem Bußgeld in Höhe von 180 EUR, einem Punkt im Fahreignungsregister sowie im Wiederholungsfall mit einem Monat Fahrverbot geahndet wird. Auf dem Radarfoto war statt der Frau jedoch ein junger Mann als Fahrer zu erkennen. Die schriftlich als Zeugin befragte Klägerin berief sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Nachdem der Außendienst der beklagten Straßenverkehrsbehörde die Klägerin an ihrem Wohnort nicht angetroffen hatte, wurde das Bußgeldverfahren eingestellt. Daraufhin verpflichtete der Kreis die Klägerin, für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Im hiergegen eingeleiteten Klageverfahren machte die Klägerin geltend, der Fahrer sei ihr in ihrem Haushalt lebender Sohn gewesen, und über eine Auskunft der Meldebehörde und einen Abgleich des Tatbilds - etwa mit dessen Personalausweisfoto - wäre es ohne weiteres möglich gewesen, ihn als Fahrer zu identifizieren.

Das OVG hat die Fahrtenbuchauflage aufgehoben und der Klage stattgegeben. Eine Fahrtenbuchauflage kommt nur in Betracht, wenn die Täterfeststellung nach einem Verkehrsverstoß unmöglich gewesen ist. Dies war im vorliegenden Fall nach Auffassung der Richter jedoch nicht der Fall. Der Bußgeldbehörde lag ein klares Tatfoto vor. Dass die Klägerin sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berief, sprach für einen Täter aus dem Familienkreis. Daher hätte es nahegelegen, zumindest bei der Meldebehörde zu erfragen, ob Familienangehörige unter derselben Anschrift wie die Klägerin wohnen, die nach Geschlecht und Alter als Fahrer in Betracht kommen. Auf Grundlage dieser Information hätten dann womöglich Lichtbilder aus dem Personalausweisregister für einen Fotoabgleich angefordert werden können. Dies wäre ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen.

Hinweis: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und wenig erfolgversprechende Ermittlungen zu betreiben, wenn der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ablehnt und auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vorliegen. Naheliegenden und unaufwendigen Ermittlungsansätzen muss die Behörde aber nachgehen.


Quelle: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 31.05.2023 - 8 A 2361/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter: Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen

Wie in einem Uhrwerk können auch auf unseren Straßen bereits die kleinsten (Zahn-)Räder große Schäden anrichten. Das sollte jedem erwachsenen Verkehrsteilnehmer bewusst sein - besonders dann, wenn dieser nachweislich eine Fahrprüfung erfolgreich absolviert hat. In disem Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) daher auch entscheiden, ob eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter den Entzug der Fahrerlaubnis nach sich ziehen kann. Wer sich daran erinnert, wie es sich sogar mit den Folgen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad verhalten kann, ahnt, wie die Antwort ausfiel.

Wie in einem Uhrwerk können auch auf unseren Straßen bereits die kleinsten (Zahn-)Räder große Schäden anrichten. Das sollte jedem erwachsenen Verkehrsteilnehmer bewusst sein - besonders dann, wenn dieser nachweislich eine Fahrprüfung erfolgreich absolviert hat. In disem Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) daher auch entscheiden, ob eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter den Entzug der Fahrerlaubnis nach sich ziehen kann. Wer sich daran erinnert, wie es sich sogar mit den Folgen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad verhalten kann, ahnt, wie die Antwort ausfiel.

Der Angeklagte hatte sich spontan dazu entschlossen, nach einem Kneipenbesuch einen E-Scooter für die Heimfahrt zu nutzen. Seine Blutalkoholkonzentration lag bei mindestens 1,64 ‰. Das erstinstanzliche Amtsgericht (AG) hatte ihn daraufhin zwar wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und einem Fahrverbot von sechs Monaten verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde dem Angeklagten jedoch nicht entzogen. Hiergegen wandte sich die Amtsanwaltschaft mit einer sogenannten Sprungrevision, mit der das Rechtsmittel der Revision direkt gegen erstinstanzliche Entscheidungen der unteren Gerichte eingelegt und die Zweitinstanz übersprungen wird.

Das OLG hat das Urteil dahingehend aufgehoben, dass das AG die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Bestimmung einer Sperrfrist für die Neuerteilung abgelehnt hatte. Denn nach Ansicht des OLG war die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, da sich aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet war. Es besteht weder Raum für ein Ermessen des Tatrichters noch findet eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Der Umstand, dass der Angeklagte nicht Auto, sondern E-Scooter gefahren ist, sei unerheblich. Auch der Hinweis des AG, dass die Benutzung eines E-Scooters durch einen betrunkenen Fahrer andere Menschen nicht in gleichem Maße gefährde wie die Trunkenheitsfahrt eines Kraftfahrzeugfahrers, überzeugte das OLG nicht. Der Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers könne ganz erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursachen, insbesondere bei Ausweichmanövern stärker motorisierter Verkehrsteilnehmer durch alkoholbedingte Fahrfehler eines E-Scooter-Fahrers. Der Angeklagte hat durch seine gedankenlose Nutzung eines E-Scooters in erheblich alkoholisiertem Zustand die Katalogtat der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt erfüllt und sich damit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

Hinweis: Die Begehung einer Trunkenheitsfahrt - wie hier - begründet eine Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen, § 69 Strafgesetzbuch. Nur wenn sich die Tatumstände von denen eines Durchschnittsfalls deutlich abheben, kann in seltenen Ausnahmefällen von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden. Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis soll nicht nur verhindert werden, dass der Täter weiterhin betrunken Kraftfahrzeuge fährt. Bezweckt wird vielmehr ganz allgemein der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 08.05.2023 - 1 Ss 276/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)