Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Stellung und Einfluss missbraucht: Testament zugunsten der Berufsbetreuerin eindeutig sittenwidrig

Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nach Wertung des Gesetzes nichtig. Dies kann auch im Fall eines notariell beurkundeten Testaments der Fall sein, wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung festgestellt hat.

Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nach Wertung des Gesetzes nichtig. Dies kann auch im Fall eines notariell beurkundeten Testaments der Fall sein, wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung festgestellt hat.

Die 92 Jahre alte Erblasserin war schwer erkrankt und alleinstehend, als die einzige Tochter, die sich um die Erblasserin gekümmert hatte, im September 2022 verstarb. Die Erblasserin selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus, auf dessen Anregung hin eine Betreuung für die Erblasserin eingerichtet wurde. Bereits zwei Wochen nach der Einrichtung der Betreuung beauftragte die Betreuerin einen Notar mit der Beurkundung eines notariellen Testaments, in dem sie von der Erblasserin zur alleinigen Erbin eingesetzt wurde. In dem Testament hieß es, die Erbeinsetzung der Betreuerin folge aus Dankbarkeit für die Pflege. Wenige Tage nach Verlassen des Krankenhauses - die Betreuerin hatte die Erblasserin kurzzeitig bei sich zu Hause aufgenommen - verstarb die alte Dame. Das Nachlassgericht verweigerte die Erteilung eines Erbscheins mit der Begründung, das Testament sei sittenwidrig.

Dieser Einschätzung schloss sich auch das OLG an. Die Umstände, unter denen es zu der Errichtung des Testaments gekommen war, führten nach Einschätzung des Gerichts zur Sittenwidrigkeit. Das OLG nahm hierbei an, dass die Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf die alte, kranke und alleinstehende Erblasserin dazu benutzt hat, gezielt auf diese leicht beeinflussbare Person einzuwirken, um sie dazu zu bewegen, eine derartige Verfügung zu treffen.

Hinweis: Das OLG hat in dem Erbscheinsverfahren letztinstanzlich entschieden. In einem solchen Fall bleibt der Antragstellerin noch der Weg offen, eine sogenannte Erbenfeststellungsklage zu erheben.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 11.01.2024 - 6 W 175/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Mindestvoraussetzungen erfüllt: Eigenhändige Abfassung und Unterschrift machen aus Kneipenblock ein gültiges Testament

Ein Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Allein der Umstand, dass sich das Testament auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um ein Testament handeln könne. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) festgestellt.

Ein Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Allein der Umstand, dass sich das Testament auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um ein Testament handeln könne. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) festgestellt.

Der Erblasser, der 2022 ledig und kinderlos verstarb, betrieb unter anderem eine Gastronomie und legte dort seiner Lebensgefährtin einen Brauereizettel vor, auf dem er überlicherweise Gastronomiebestellungen notierte. Dort hieß es nun aber, dass die Lebensgefährtin "alles kriegt". Darunter folgten Datum und Unterschrift des Erblassers. Die gesetzlichen Erben - Kinder der vorverstorbenen Schwester des Erblassers - waren nun der Ansicht, dass es sich nicht um ein Testament handele, da nicht erkennbar sei, dass der Zettel mit dem Willen, ein Testament zu errichten, verfasst worden sei. Außerdem hatten sie Zweifel daran, dass der Text von dem Erblasser selbst erstellt war. Das Nachlassgericht hatte zunächst noch die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Lebensgefährtin abgelehnt, da nicht sicher festgestellt werden könne, dass das Schriftstück mit Testierwillen errichtet worden sei.

Dieser Einschätzung hat sich das OLG nach Durchführung einer Beweisaufnahme nicht angeschlossen. Das Gericht kam zu der Einschätzung, dass die Mindestvoraussetzungen für ein wirksames Testament - die eigenhändige Abfassung und die Unterschrift - erfüllt waren. Hinweise darauf, dass das Schriftstück von einer anderen Person erstellt worden sei, konnte das OLG nicht feststellen. Darüber hinaus war nach Einschätzung des Gerichts das Schriftstück auch mit einem entsprechenden Testierwillen errichtet worden. Allein der Umstand, dass das formgültige Schriftstück auf einer ungewöhnlichen Unterlage errichtet wurde, bedeutet nicht zwingend, dass es sich lediglich um einen Entwurf gehandelt hat. So konnte eben auch durch eine Zeugenaussage belegt werden, dass der Erblasser auch bekundet hatte, dass seine Lebensgefährtin Erbin werden sollte. Der Erbschein zugunsten der Lebensgefährtin war zu erteilen.

Hinweis: Zum Zweck der besseren Auffindbarkeit im Erbfall kann auch ein eigenhändiges Testament in die amtliche Verwahrung gegeben werden. Zuständig für die Verwahrung sind die Amtsgerichte.


Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 W 96/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Verletztes Auskunftsverlangen: Bloßer Verstoß gegen DSGVO begründet noch keinen Entschädigungsanspruch

Arbeitnehmer haben nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Recht darauf, von ihrem Arbeitgeber zu erfahren, ob und, wenn ja, zu welchem Zweck und in welchem Umfang er Daten von ihnen verarbeitet. Erteilt der Arbeitgeber eine entsprechende Auskunft nicht, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz fordern, wie im folgenden Fall vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG).

Arbeitnehmer haben nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Recht darauf, von ihrem Arbeitgeber zu erfahren, ob und, wenn ja, zu welchem Zweck und in welchem Umfang er Daten von ihnen verarbeitet. Erteilt der Arbeitgeber eine entsprechende Auskunft nicht, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz fordern, wie im folgenden Fall vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG).

Ein Arbeitnehmer war für einen Monat bis Ende 2016 bei einem Unternehmen beschäftigt. Etwa vier Jahre später forderte er von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Auskunft nach Art. 15 DSGVO hinsichtlich seiner personenbezogenen Daten. Die entsprechende Auskunft wurde ihm erteilt. Dann verlangte er gut zwei Jahre später im Oktober 2022 einen Antrag auf Auskunft sowie eine Datenkopie. Der Arbeitgeber ließ mehrere Fristen verstreichen und antwortete zunächst unvollständig. Erst nach mehreren weiteren Aufforderungen erteilte er eine vollständige Auskunft. Der Arbeitnehmer klagte und verlangte eine Geldentschädigung, die allerdings nicht niedriger als 2.000 EUR sein sollte. Sein Verlangen begründete er damit, dass sein Auskunftsverlangen mehrfach verletzt worden sei.

Das LAG wies die Klage zwar ab, stellte aber dennoch klar, dass der Arbeitgeber gegen die DSGVO verstoßen hatte. Das führte jedoch nicht dazu, dass der ehemalige Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Geldentschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO habe. Die Richter meinten, dass ein bloßer Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO nicht ausreiche, um eine Geldentschädigung wegen eines immateriellen Schadens auszulösen.

Hinweis: Eine Entschädigung für einen immateriellen Schaden, zum Beispiel ein nicht erteiltes Auskunftsrecht, setzt voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer darlegen können, einen Schaden erlitten zu haben. Gelingt ihnen das, hat der Arbeitgeber in der Regel zu zahlen. Arbeitgeber sollten also stets geltend gemachte Ansprüche nach der DSGVO ernst nehmen.


Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2023 - 3 Sa 285/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Späteres Testament: Wenn die Verfügung von Todes wegen nur zum "vorletzten Willen" wird

Ein Testament kann dadurch aufgehoben werden, dass ein Erblasser eine neue Verfügung von Todes wegen aufsetzt, die zu dem früheren Testament in einem Widerspruch steht. So war es auch der Fall bei einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).

Ein Testament kann dadurch aufgehoben werden, dass ein Erblasser eine neue Verfügung von Todes wegen aufsetzt, die zu dem früheren Testament in einem Widerspruch steht. So war es auch der Fall bei einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).

Die ledige und kinderlose Erblasserin hatte insgesamt vier handschriftliche Testamente errichtet. Zwei Geschwister, eine Schwester und ein Bruder der Erblasserin, waren bereits verstorben. Eine Großnichte der Erblasserin war der Ansicht, aufgrund eines der Testamente zur Ersatzerbin nach der verstorbenen Schwester der Erblasserin benannt worden zu sein. Sie berief sich hierbei auf ein Testament aus dem Jahr 2009, in dem die Erblasserin verfügte, dass für den Fall, dass die Schwester versterben sollte, sie ihre Großnichte zur Nacherbin einsetzt. Im April 2016 errichtete die Erblasserin dann ein letztes Testament, in dem sie an der Erbeinsetzung ihrer damals noch lebenden Schwester zwar nichts änderte, eine Ersatzerbeneinsetzung aber nicht mehr vornahm.

Das OLG schloss sich der Ansicht des Nachlassgerichts an, dass durch diese letzte Errichtung des Testaments und durch das Vorversterben der Schwester die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Steht das zeitlich nachfolgende Testament in einem Widerspruch zu einem früheren Testament, wird dieses frühere Testament aufgehoben. Ein solcher Widerspruch liegt nicht nur vor, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar sind - sich also gegenseitig ausschließen -, sondern auch dann, wenn die Anordnungen in ihrer Gesamtheit den späteren Absichten eines Erblassers entgegenstehen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt abschließend und umfassend regelt. Von diesem letztgenannten Fall ist das OLG ausgegangen. In dem Testament aus dem Jahr 2016 hatte die Erblasserin die Erbeinsetzung ihrer Schwester lediglich wiederholt, die Benennung eines Ersatzerben aber unterlassen. Hätte sie eine erneute Ersatzerbeneinsetzung vornehmen wollen, hätte es dieser neuen letztwilligen Verfügung nicht bedurft. Aus diesem Grund ging das Gericht davon aus, dass die Erblasserin ihre Erbfolge im Jahr 2016 grundsätzlich neu regeln wollte. Hierdurch ist aufgrund des Vorversterbens der Schwester und des Tods der Erblasserin die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Der Erbscheinsantrag der Großnichte wurde zurückgewiesen.

Hinweis: In einem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins gehen verbleibende Zweifel zu Lasten desjenigen, der sich trotz Widerspruchs zwischen dem früheren und dem späteren Testament auf das frühere Testament beruft.


Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2023 - 3 Wx 189/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Lebensmittelpunkt nicht erforderlich: BGH erkennt legitimes Interesse an Untervermietung einer Zweitwohnung

Gerichte haben bereits oft entschieden, dass Mieter ein durchaus berechtigtes Interesse an einer Untervermietung haben, das vom jeweiligen Vermieter zuvor verneint wurde. Die Frage in diesem Fall war, ob ein berechtigtes Interesse auch dann vorliegen kann, wenn der Mieter seinen Hauptwohnsitz in einer anderen Wohnung habe. Dass die Beantwortung nicht so einfach war, beweist die Tatsache, dass das letzte Wort hierzu beim Bundesgerichtshof (BGH) lag.

Gerichte haben bereits oft entschieden, dass Mieter ein durchaus berechtigtes Interesse an einer Untervermietung haben, das vom jeweiligen Vermieter zuvor verneint wurde. Die Frage in diesem Fall war, ob ein berechtigtes Interesse auch dann vorliegen kann, wenn der Mieter seinen Hauptwohnsitz in einer anderen Wohnung habe. Dass die Beantwortung nicht so einfach war, beweist die Tatsache, dass das letzte Wort hierzu beim Bundesgerichtshof (BGH) lag.

Ein Mieter war Geschäftsführer einer Firma, die nur zehn Gehminuten von der Mietwohnung entfernt war. Er nutzte diese Mietwohnung zum Ausruhen und für zwei bis drei Übernachtungen die Woche. Ursprünglich hatte er vollständig in der 72 m² großen Dreizimmerwohnung mit seiner Familie gelebt und war mit ihr nach der Geburt eines weiteren Kindes in eine Doppelhaushälfte gezogen, die von der Mietwohnung 17 km entfernt lag. Dann kam er auf folgende Idee: Er bat seine Vermieterin um die Erlaubnis, zwei Zimmer der Mietwohnung ohne zeitliche Begrenzung an zwei namentlich genannte Personen unterzuvermieten. Er erhielt zunächst eine befristete Erlaubnis, später lehnte die Vermieterin die Untervermietung jedoch gänzlich ab. Deshalb klagte der Mann nun auf Zustimmung zur unbefristeten Untervermietung der Räume, die er selbst lediglich aus beruflichen Gründen nutzte.

Die Klage hat er letztendlich vor dem BGH gewonnen. Denn dieser urteilte, dass es nicht erforderlich sei, dass die Wohnung auch nach der Untervermietung Lebensmittelpunkt des Mieters bleibt. Der Mieter kann vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse hieran entsteht. Und genau das war für den BGH hier erkennbar.

Hinweis: Also ist auch eine Untervermietung bei einer aus beruflichen Gründen genutzten Wohnung möglich. Mieter sollten allerdings stets bedenken, dass sie zunächst die Zustimmung zur Untervermietung einzuholen haben.


Quelle: BGH, Urt. v. 27.09.2023 - VIII ZR 88/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Sonnenkraftwerke auf Mieterbalkonen: Kölner Gericht sieht mehr Vor- als Nachteile und zwingt Vermieter zur Duldung

Zugegeben: Schön anzusehen sind sie nicht, diese Balkonkraftwerke. Doch schön praktisch sind sie - und vor allem können sie Bewohnern schön viel Geld sparen. Ob aber Mieter einen Anspruch darauf haben, diese aus Solarpaneelen bestehenden Konstruktionen auf ihrem Balkon anbringen zu dürfen, musste das Amtsgericht Köln (AG) entscheiden.

Zugegeben: Schön anzusehen sind sie nicht, diese Balkonkraftwerke. Doch schön praktisch sind sie - und vor allem können sie Bewohnern schön viel Geld sparen. Ob aber Mieter einen Anspruch darauf haben, diese aus Solarpaneelen bestehenden Konstruktionen auf ihrem Balkon anbringen zu dürfen, musste das Amtsgericht Köln (AG) entscheiden.

Hier hatten Mieter ursprünglich die Erteilung der Genehmigung für den Aufbau einer Solaranlage mit an der Außenseite des Balkons der Mietwohnung angebrachten Solarmodulen gefordert. Hilfsweise verlangten sie die Zustimmung zu einer auf dem Boden des Balkons aufgestellten Solaranlage. Als die Vermieterin sich weigerte, klagten die Mieter.

Das AG war der Auffassung, dass den Mietern durchaus ein Anspruch auf Zustimmung zur Aufstellung einer Solaranlage auf dem Balkon zusteht. Grundsätzlich habe ein Mieter zwar keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter ihm gestattet, selbst bauliche Veränderungen an der Wohnung mit dem Ziel einer Modernisierung vorzunehmen. Denn die Erteilung einer derartigen Erlaubnis stehe vielmehr im Ermessen des Vermieters. Dieser darf sein Ermessen jedoch nicht missbräuchlich ausüben. Hier war zugunsten der Mieter zu berücksichtigen, dass eine Solaranlage Kosten spart, eine derartige Energieerzeugung den Verbrauch fossiler Brennstoffe mindert und damit letztendlich dem Gemeinwohl dient. Insbesondere war eine Substanzbeeinträchtigung der Mietsache ausgeschlossen. Deshalb musste die Anlage von der Vermieterin geduldet werden.

Hinweis: Jedes Balkonkraftwerk kann einen Beitrag für saubere Energie leisten. Aber nicht alles muss der Vermieter dulden. Hier ist eine gründliche Abwägung geboten.


Quelle: AG Köln, Urt. v. 26.09.2023 - 222 C 150/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Freigewordenes WG-Zimmer: Berechtigtes Interesse, mit Untervermietung entfallenden Mietenanteil zu kompensieren

Wieder einmal geht es um die Rechte von Bewohnern einer Wohngemeinschaft (WG). Die Frage, die hier das Landgericht Berlin (LG) zu beantworten hatte, war, ob Vermieter ihre Erlaubnis zur Untervermietung für ein freigewordenes Zimmer stets (erneut) erteilen müssen, bevor die WG dieses wieder vermieten darf.

Wieder einmal geht es um die Rechte von Bewohnern einer Wohngemeinschaft (WG). Die Frage, die hier das Landgericht Berlin (LG) zu beantworten hatte, war, ob Vermieter ihre Erlaubnis zur Untervermietung für ein freigewordenes Zimmer stets (erneut) erteilen müssen, bevor die WG dieses wieder vermieten darf.

Zwei Mieter einer Wohnung hatten einen Mietvertrag abgeschlossen. Mit einem Nachtrag zum Mietvertrag wurde vereinbart, dass ein dritter Mieter in den Mietvertrag miteintreten sollte. Dieser Nachzügler zog dann zweieinhalb Jahre später aus der Wohnung in ein Studentenheim. Nun wollten die beiden in der Wohnung verbliebenen Mieter von der Vermieterin die Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung des freigewordenen Zimmers der Dreizimmerwohnung. Schließlich mussten sie ihr Recht einklagen.

Das LG bestätigte, dass im Fall des Auszugs eines von mehreren Mietern die in der Wohnung verbleibenden Mieter ein berechtigtes Interesse daran haben, den entfallenden Mietenanteil durch die Aufnahme eines zahlungspflichtigen Untermieters zu kompensieren. Völlig unerheblich war auch, dass der ausgezogene Mitmieter noch immer Vertragspartner war und jetzt eine neue Wohnung in einem Studentenwohnheim angemietet hatte.

Hinweis: Wer Mitglied einer WG wird, kann zwar jederzeit ausziehen, bleibt jedoch in der Regel Vertragspartner des bisherigen Vermieters und damit potentieller Schuldner. Das sollte bei Vertragsschluss bedacht werden.


Quelle: LG Berlin, Urt. v. 09.01.2024 - 67 S 184/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

BGH prüft Beweiserleichterung: OLG Celle bejaht Anscheinsbeweis bei berührungsloser Unfallverursachung

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle wagt mit seiner folgenden Entscheidung ein womöglich richtungsweisendes Urteil, das Erleichterung in ähnlich geartete Fälle bringen könnte. Und die gibt es nicht selten. Denn schließlich haben selbst berührungslose Stürze nach Notbremsungen oftmals böse Folgen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle wagt mit seiner folgenden Entscheidung ein womöglich richtungsweisendes Urteil, das Erleichterung in ähnlich geartete Fälle bringen könnte. Und die gibt es nicht selten. Denn schließlich haben selbst berührungslose Stürze nach Notbremsungen oftmals böse Folgen.

Ein Mann fuhr auf seinem Motorrad eine Straße entlang, und wie so oft auf Straßen üblich, fuhr vor ihm ein Pkw. Auf der Gegenfahrbahn stand indes in einer Kurve ein Müllfahrzeug, das wiederum die entgegenkommende Frau - die spätere Beklagte - mit ihrem Pkw passieren wollte. Dafür fuhr sie dann auch auf die Gegenfahrbahn. Um eine Kollision mit dem Fahrzeug der Frau zu vermeiden, bremste der vor dem Motorradfahrer fahrende Pkw stark ab, so dass der Biker eine Vollbremsung vollzog. Dabei geriet er ins Rutschen, stürzte und verletzte sich, ohne in diesem Verlauf jedoch auf das vorausfahrende Kfz aufzufahren. Erstinstanzlich wurde die Klage des Gestürzten auf Schadensersatz mit der Begründung abgewiesen, er sei allein schuld an seinem Sturz gewesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte jedoch Erfolg - zumindest teilweise.

Wo bislang aber galt, dass nach berührungslosen Unfällen kein Verursachungsbeitrag nach Anscheinsbeweisgrundsätzen festgestellt werden darf, sieht es das OLG Celle hier anders und entschied, dass der Kläger 40 % seines Schadens ersetzt verlangen kann. Die Beklagte hafte mit, weil sie ohne vorsichtige Prüfung an der durch den haltenden Müllwagen geschaffenen Engstelle vorbeigefahren war. Es habe dabei nicht ausgereicht, langsam den Müllwagen zu überholen. Die Frau habe vielmehr den Gegenverkehr überprüfen müssen, bevor sie zum Überholen ansetzte. Jedoch spricht der Anscheinsbewies auch für einen Verkehrsverstoß des Klägers, auch wenn es nicht zu einer Kollision zwischen Motorrad und vorausfahrendem Fahrzeug kam. Gelingt es einem Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig, auf die wahrgenommene Gefahrenlage zu reagieren und nur durch einen vorherigen Sturz eine Kollision mit dem Vorausfahrenden zu verhindern, spricht wie im Fall einer Auffahrkollision die Lebenserfahrung dafür, dass die Ursache für den Sturz das eigene Fehlverhalten ist - infolge zu geringen Abstands oder Unaufmerksamkeit. Eine überwiegende Haftung der Beklagten kam nach Ansicht des OLG Celle daher nicht in Betracht. Denn der Kläger trage einen deutlich höheren Verantwortungsanteil als die Beklagte. Erst sein sorgfaltswidriges Verhalten habe zum Sturz geführt. Dabei sei zu beachten, dass der Vorausfahrende auch rechtzeitig habe bremsen können, ohne dass es zu einer Kollision mit dem ihm vorausfahrenden und zuerst bremsenden Pkw kam.

Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde zugelassen, weil sich das Gericht hier gegen die Meinungen zweier OLGs (OLG München, NJOZ 2018, 661; OLG Hamm, DAR 2023, 622) stellt, die die Auffassung vertreten, dass bei berührungslosen Unfällen ein Verursachungsbeitrag nach Anscheinsbeweisgrundsätzen nicht festgestellt werden darf. Sollte der BGH die Anwendbarkeit der Grundsätze des Anscheinsbeweises bejahen, würde dies die Beweisführung künftig erleichtern.


Quelle: OLG Celle, Urt. v. 13.12.2023 - 14 U 32/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Anscheinsbeweis: Wer bei Verlassen der Parkbucht in einen Unfall verwickelt ist, haftet meist vollständig

Das Prinzip "Trau, schau, wem!" sollte jeder motorisierte Verkehrsteilnehmer beim Ein- und Ausparken befolgen. Denn wenn im Anschluss der genaue Unfallhergang ungeklärt bleibt, bleibt einem Gericht wiederum nichts anderes übrig, als bei seiner Entscheidung dem sogenannten Anscheinsbeweis den Zuschlag zu erteilen. Genau so erging es dem Amtsgericht Hanau (AG) im folgenden Fall.

Das Prinzip "Trau, schau, wem!" sollte jeder motorisierte Verkehrsteilnehmer beim Ein- und Ausparken befolgen. Denn wenn im Anschluss der genaue Unfallhergang ungeklärt bleibt, bleibt einem Gericht wiederum nichts anderes übrig, als bei seiner Entscheidung dem sogenannten Anscheinsbeweis den Zuschlag zu erteilen. Genau so erging es dem Amtsgericht Hanau (AG) im folgenden Fall.

Ein Mann wollte aus einer Parkbucht heraus in den fließenden Straßenverkehr einfahren. Dort befand sich allerdings bereits eine Frau mit ihrem Wagen, die bereits in selbiger Fahrtrichtung unterwegs war. So kam es auch hier, wie es kommen musste - und zwar zur Kollision. Was ebenfalls nicht ungewöhnlich war: Vor Gericht waren sich beide Unfallbeteiligten über den Hergang des Ganzen uneins und machten dazu unterschiedliche Angaben.

Das AG hat der Klage der Frau auf Schadensersatz dennoch stattgegeben. Auf die Klägerin selbst entfällt kein Mithaftungsanteil, da das Gericht davon ausgegangen ist, dass der Verkehrsunfall vollständig von dem einfahrenden Fahrzeug verursacht wurde. Zwar ließ sich das Geschehen nicht mehr aufklären, allerdings habe derjenige, der vom Straßenrand in den Verkehr einfährt, besonders darauf zu achten, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet. Das Gericht war nach einer Gesamtwürdigung der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich der Unfall im engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Einfahren des beklagten Fahrers von einer Parkbucht auf die Fahrbahn ereignete. Aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe des Unfallgeschehens zu dem Einfahren des zuvor parkenden Fahrzeugs in den Straßenverkehr spreche daher der Beweis des Anscheins dafür, dass dessen Fahrer nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet und somit den Unfall herbeigeführt habe. Darauf deute zudem hin, dass seine Version des Unfallgeschehens, er sei bereits einige Zeit auf der Straße gefahren, mit dem Schadensbild nicht in Einklang zu bringen sei.

Hinweis: Der Anscheinsbeweis setzt Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat. Gemäß § 10 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung muss sich der Einfahrende vom Fahrbahnrand auf eine Fahrbahn so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
 
 


Quelle: AG Hanau, Urt. v. 05.06.2023 - 39 C 329/21 (19)
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Bargeldlose Zahlungszeiten: Barvermögen ist das, was man kurzfristig in Bargeld umwandeln oder stattdessen nutzen kann

In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) stritten die Parteien um die Erfüllung eines Vermächtnisses. Die Kernfrage war hierbei, was in den heutigen Zeiten eigentlich unter dem Begriff "Barvermögen" zu verstehen sei. Das, was wir in den Hosen- und Handtaschen bereits mit uns herumtragen, oder auch das, was wir kurzfristig dahin verfrachten könnten? Lesen Sie hier die Antwort.

In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) stritten die Parteien um die Erfüllung eines Vermächtnisses. Die Kernfrage war hierbei, was in den heutigen Zeiten eigentlich unter dem Begriff "Barvermögen" zu verstehen sei. Das, was wir in den Hosen- und Handtaschen bereits mit uns herumtragen, oder auch das, was wir kurzfristig dahin verfrachten könnten? Lesen Sie hier die Antwort.

Der Erblasser hatte in einem notariellen Testament seine Kinder zu Erben eingesetzt, nachdem er bereits eine Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf eine Tochter übertragen hatte. Zudem hatte der Erblasser die Erben mit einem Vermächtnis zugunsten der Tochter beschwert, dass bei Eintritt des Erbfalls das vorhandene Barvermögen zu 1/3 Anteil an die Tochter ausgezahlt werden solle. Zum Zeitpunkt des Erbfalls verfügte der Erblasser über ein Kontovermögen in Höhe von etwa 152.000 EUR, Genossenschaftsanteile im Wert von 3.000 EUR, ein Depotvermögen über etwa 34.000 EUR sowie ein Barvermögen in Höhe von etwa 2.000 EUR. Die Tochter war der Ansicht, dass unter dem Begriff "Barvermögen" alle liquiden Mittel zu verstehen seien - insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld. Die Erben hingegen waren der Ansicht, dass mit Barvermögen lediglich das vorhandene Bargeld gemeint sein könnte.

Nach Ansicht des OLG ist unter dem Begriff des Barvermögens in Zeiten des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs das Bargeld im engeren Sinne genauso zu verstehen, wie es beispielsweise bei Banken sofort verfügbar ist. Der Begriff des Bargelds umfasse heutzutage das gesamte Geld, das sofort verfügbar ist - also auch über eine Kartenzahlung. Dies gelte aber nicht für Wertpapiere. Insofern hatte die Klägerin Anspruch auf eine anteilige Zahlung aus dem Kontovermögen sowie dem aufgefundenen Bargeld.

Hinweis: Das Gericht kam durch eine Auslegung des Testaments zu dem vorgenannten Ergebnis. Lang andauernde Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Unwägbarkeiten bei der Auslegung von Verfügungen können dadurch vermieden werden, dass die Parteien einen Auslegungsvertrag abschließen.


Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 20.12.2023 - 3 U 8/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)