Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Laut Annonce unfallfrei: Anrecht auf Rückgabe des Gebrauchten trotz Zusatz zu "Unfallschaden" im Kaufvertrag

Wenn die eine Seite etwas anderes behauptet als ihr Gegenüber, fragen Gerichte nach Beweisen. Als nach einem Autokauf, der zumindest die Käuferseite unglücklich zurückließ, eben solche Beweise vom Landgericht Kiel (LG) gefordert wurden, konnte es sich nur an zwei Schriftstücke halten. Doch vor allem diese widersprachen sich. Hatte der Käufer, der einen Zusatz im Vertrag nicht richtig gelesen hatte, nun das Nachsehen?

Wenn die eine Seite etwas anderes behauptet als ihr Gegenüber, fragen Gerichte nach Beweisen. Als nach einem Autokauf, der zumindest die Käuferseite unglücklich zurückließ, eben solche Beweise vom Landgericht Kiel (LG) gefordert wurden, konnte es sich nur an zwei Schriftstücke halten. Doch vor allem diese widersprachen sich. Hatte der Käufer, der einen Zusatz im Vertrag nicht richtig gelesen hatte, nun das Nachsehen?

Der Privatkäufer kaufte den Gebrauchtwagen bei einem Händler. In der im Fahrzeug ausliegenden Annonce war das Fahrzeug als unfallfrei betitelt. In dem später geschlossenen Kaufvertrag jedoch, der als "verbindliche Bestellung" überschrieben war, war dann eingefügt "entgegen Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer". Als der Käufer schließlich einige Zeit nach Übergabe des Fahrzeugs einen Verkehrsunfall erlitt, wurde im Rahmen der sachverständigen Begutachtung des Unfallschadens festgestellt, dass der Wagen hinten links einen nicht unerheblichen Vorschaden aufwies. Der Käufer erklärte daraufhin die Anfechtung des Vertrags, da ihm der Unfallschaden verschwiegen worden sei. Der Verkäufer sah das völlig anders und verweigerte die Rückabwicklung: Er verwies auf den Hinweis in der Bestellung.

Das LG stellte sich auf die Seite des Käufers, da es der Ansicht war, dass der Verkäufer nicht nachweisen konnte, dass der Käufer vor Vertragsabschluss über den Unfallschaden ordnungsgemäß informiert worden sei. Dem Vertrag sei nur zu entnehmen, dass entgegen der Annonce ein Unfallschaden laut Vorbesitzer vorliege - und dies nicht einmal in einer hervorgehobenen Form, die deutlich auf den Widerspruch zur Annonce hätte aufmerksam machen können. Dass der Käufer über Art und Umfang und Reparaturvorgänge informiert wurde, sei daher nicht erkennbar. Der Käufer konnte seinerseits aber durchaus glaubhaft machen, dass der nachträgliche Passus über den Unfallschaden laut Vorbesitzer von ihm nicht wahrgenommen wurde. Es sei auch keine Verhandlung über eine Kaufpreisreduzierung erfolgt, was angesichts des Kaufpreises, der auf einer Unfallfreiheit des Fahrzeugs beruhte, zu erwarten gewesen wäre. Zudem weise der Zusatz "laut Vorbesitzer" darauf hin, dass der Händler sich kein eigenes Bild vom Schadensumfang gemacht habe. Demnach habe der Händler hier seine Aufklärungspflicht verletzt, was ihn nun zur Rücknahme des Fahrzeugs verpflichtet.

Hinweis: Ein Verbraucher soll gegebenenfalls darüber informiert werden, dass die von ihm gekaufte Ware einen Mangel aufweist. Zwar ist im Gesetz eine Form hinsichtlich des erforderlichen Hinweises nicht vorgeschrieben, und es ist auch keine konkrete Beschreibung jeder einzelnen vom objektiven Standard abweichende Beschaffenheit erforderlich. Unzureichend ist es aber, dass ein Fahrzeug lediglich als Unfallfahrzeug bezeichnet wird. Wenn es sich wie hier um einen Unternehmer handelt, ist dieser als Verkäufer verpflichtet, über einen reparierten Vorschaden zu informieren - über Art, Umfang und Reparatur des Unfallschadens.


Quelle: LG Kiel, Urt. v. 08.05.2025 - 6 O 276/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Grundbuchberichtigung ohne Erbschein? Gültigkeit von Änderungen des notariellen Testaments nur durch Erbscheinsverfahren feststellbar

Bei einer Grundbuchberichtigung kann auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines europäischen Nachlasszeugnisses nur in den Erbfällen verzichtet werden, in denen ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag mit dem Eröffnungsprotokoll ausreicht. Auch, wenn sich alle Erben einig sind und die Erbenstellung glaubhaft machen können, kann nur in Ausnahmefällen auf den Erbschein verzichtet werden. Ob Letzteres der Fall war, musste das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) klären.

Bei einer Grundbuchberichtigung kann auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines europäischen Nachlasszeugnisses nur in den Erbfällen verzichtet werden, in denen ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag mit dem Eröffnungsprotokoll ausreicht. Auch, wenn sich alle Erben einig sind und die Erbenstellung glaubhaft machen können, kann nur in Ausnahmefällen auf den Erbschein verzichtet werden. Ob Letzteres der Fall war, musste das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) klären.

Die im Jahr 2024 verstorbene Erblasserin hatte im Jahr 2002 ein notarielles Testament errichtet und ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Zudem hatte sie verfügt, dass deren Abkömmlinge als Ersatzerben nachrücken sollen, falls eines der Kinder vorher verstirbt oder die Erbschaft ausschlägt. Sollte es an entsprechenden Abkömmlingen fehlen, sollte der Anteil der übrigen Erben entsprechend "anwachsen". In einem im Jahr 2011 handschriftlich gefertigten Testament wich die Erblasserin davon ab und bestimmte, dass die Abkömmlinge einer Tochter weder als Ersatzerben noch als Ersatzvermächtnisnehmer in Betracht kommen. Im Übrigen sollte das notarielle Testament bestehen bleiben. Nach dem Tod der Erblasserin wurden die drei Geschwister zunächst als Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Zwei der Geschwister erklärten aber durch notarielle Urkunde, dass sie das Erbe ausschlagen. Der verbliebene Erbe war der Ansicht, dass unter Bezugnahme auf die notarielle Erbschaftsausschlagung das Grundbuch zu berichtigen sei, da ein Nachweis darüber vorläge, dass nur er der Alleinerbe sein könne.

Grundbuchamt und auch das OLG im Beschwerdeverfahren stellten klar, dass der Nachweis im konkreten Fall nicht durch die notariellen Urkunden der Erbschaftsausschlagung erbracht werden könne und es vielmehr der Vorlage eines Erbscheins bedarf. Wenn sich die Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück ändern, kann das Grundbuch berichtigt werden, sobald die Unrichtigkeit durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen wird. Dieser Nachweis ist regelmäßig durch einen Erbschein oder ein europäisches Nachlasszeugnis zu erbringen. Wenn Zweifel an der Erbfolge bestehen oder zusätzliche Tatsachen geklärt werden müssen, kann das Grundbuchamt diese nicht selbst ermitteln. Das Gericht stellte hier insbesondere darauf ab, dass durch das handschriftliche Testament der Erblasserin die Erbfolge zumindest im Hinblick auf die Ersatzerben verändert worden sei. Ob dieses spätere Testament gültig sei und die frühere Regelung aufhebe, könne nur das Nachlassgericht im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens feststellen. Zudem stellte das OLG klar, dass die Frage zu klären sei, ob die Ausschlagung form- und fristgerecht erfolgt sei - auch dies könne nur durch das Nachlassgericht geklärt werden.

Hinweis: Im Fall eines notariellen Testaments reicht ausnahmsweise das Testament zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll als Nachweis für das Grundbuchamt aus.


Quelle: Saarländisches OLG, Beschl. v. 16.09.2025 - 5 W 59/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

"Doppelte" Scheidung? Ausländischer Entscheidung in Ehesachen kann Anerkennung verweigert werden

Ausländische Eheschließungen und -scheidungen müssen in Deutschland anerkannt werden. Leitet ein Paar aber ein Scheidungsverfahren erst in Deutschland und dann nochmal im Ausland ein, steht diese Doppelung der Anerkennung des ausländischen Verfahrens entgegen. Ein solcher Fall landete kürzlich vor dem Oberlandesgericht München (OLG), das die Anerkennung einer in der Türkei erfolgten Scheidung ablehnte. Lesen Sie hier, warum.

Ausländische Eheschließungen und -scheidungen müssen in Deutschland anerkannt werden. Leitet ein Paar aber ein Scheidungsverfahren erst in Deutschland und dann nochmal im Ausland ein, steht diese Doppelung der Anerkennung des ausländischen Verfahrens entgegen. Ein solcher Fall landete kürzlich vor dem Oberlandesgericht München (OLG), das die Anerkennung einer in der Türkei erfolgten Scheidung ablehnte. Lesen Sie hier, warum.

Zwei türkische Staatsangehörige hatten 1980 in der Türkei geheiratet. Später erlangte die Ehefrau die deutsche Staatsangehörigkeit und gab die türkische auf. Ende November 2011 beantragte der Ehemann beim Amtsgericht Ingolstadt die Scheidung der Ehe. Später leiteten die Eheleute zudem im türkischen Konya die Scheidung ein. Der dortige Scheidungsbeschluss erging am 13.01.2012 und wurde mit dem 16.04.2012 rechtskräftig. Für eine erbrechtliche Auseinandersetzung in der Türkei beantragte die Tochter des Paars schließlich am 11.06.2024 die Anerkennung des Scheidungsbeschlusses aus der Türkei. Doch diese wurde abgelehnt. Die in der Türkei erfolgte Scheidung sei mit dem zuvor in Deutschland rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar.

Das OLG wies den daraufhin erfolgten Antrag der Tochter auf Abänderung dieser Entscheidung zurück. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen ist unter anderem dann ausgeschlossen, wenn das ausländische Verfahren mit einem früher hier in Deutschland rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist. Unvereinbarkeit liegt auch bei Identität der Verfahrensgegenstände vor - und eben diese (doppelte) Identität ("Scheidung" = "Scheidung") liegt vor.

Hinweis: Doppelt gemoppelt hält im Rechtssinne also nicht besser. Das ist auch nachvollziehbar, denn sonst bestünde die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen in derselben Sache. Man muss sich als Rechtssuchender also entscheiden, welches Verfahren man durchführen will, und dieses dann entsprechend anerkennen lassen.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 03.09.2025 - 34 Wx 183/25 e
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Staatskasse erfolgreich: Die Rücknahme einer Volljährigenadoption kann teuer werden

Verfahrenskosten bestimmen sich nach dem Wert des Verfahrens. Bei einer Volljährigenadoption sind zum Beispiel die Vermögensverhältnisse der Beteiligten grundsätzlich mit 25 % des Reinvermögens desjenigen, der adoptiert wird, und dem Adoptierenden zu berücksichtigen. Und bei Rücknahme der Adoption? Was gilt hier? Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) weiß Antwort.

Verfahrenskosten bestimmen sich nach dem Wert des Verfahrens. Bei einer Volljährigenadoption sind zum Beispiel die Vermögensverhältnisse der Beteiligten grundsätzlich mit 25 % des Reinvermögens desjenigen, der adoptiert wird, und dem Adoptierenden zu berücksichtigen. Und bei Rücknahme der Adoption? Was gilt hier? Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) weiß Antwort.

Die 1961 und 1965 geborenen Stiefkinder und ihr Stiefvater beantragten im September 2023 die Erwachsenenadoption. Den Wert der notariellen Urkunde gaben sie und ihr Stiefvater ohne Erläuterung mit 100.000 EUR an. Der Stiefvater verstarb dann noch im Jahr 2023. Im April 2024 nahmen die Kinder die Adoptionsanträge zurück. Das Amtsgericht (AG) setzte einen Verfahrenswert von 5.000 EUR fest und verlangte dementsprechend von jedem Stiefkind 161 EUR Verfahrenskosten. Die Staatskasse legte Beschwerde ein. Schließlich hatten die Beteiligten einen Wert von 100.000 EUR angegeben, und so könne das Gericht nicht von nur 5.000 EUR ausgehen.

Das OLG entschied hierzu: Ergibt sich der Verfahrenswert beispielsweise nicht aus Unterlagen, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei können insbesondere Umfang und Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten zugrunde gelegt werden. Der Verfahrenswert wird dann nach billigem Ermessen bestimmt - über 500.000 EUR darf er nicht festgelegt werden. Erlangt man keine entsprechend genügenden Anhaltspunkte, ist von 5.000 EUR auszugehen. Hier hat man aber aufgrund eigener Festlegung der Parteien Anhaltspunkte für Vermögenswerte von 100.000 EUR. Das OLG geht dabei davon aus, dass der Verfahrenswert für die Erwachsenenadoption mit 25 % des Vermögens der Beteiligten zu berücksichtigen sind - und zwar auch bei der Rücknahme. Während das AG der Beschwerde der Staatskasse also nicht abhalf, gab das OLG ihr statt und setzte den Verfahrenswert auf 100.000 EUR fest.

Hinweis: Bevor Sie Adoptionsverfahren oder auch andere Verfahren beantragen, lassen Sie sich immer über das mögliche Kostenrisiko (Verfahrenskosten, Anwaltskosten) aufklären. Dann wissen Sie, was auf Sie zukommt, und können kosteneffizient agieren.


Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 18.09.2025 - 8 WF 4/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Ordnungsmittel? Fehlanzeige! Unklaren Umgangsregelungen fehlt es regelmäßig an Vollstreckbarkeit

Verstoßen Eltern gegen Umgangsregelungen, können Ordnungsmittel verhängt werden. Dazu muss der Umgang aber vollstreckbar - also konkret nach Ort und Zeit geregelt - sein. So weit, so klar, sollte man meinen. Und dennoch müssen sich Gerichte immer wieder mit getroffenen Regelungen befassen, die so unklar gefasst sind, dass Verstöße dagegen nicht geahndet werden können - so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG).

Verstoßen Eltern gegen Umgangsregelungen, können Ordnungsmittel verhängt werden. Dazu muss der Umgang aber vollstreckbar - also konkret nach Ort und Zeit geregelt - sein. So weit, so klar, sollte man meinen. Und dennoch müssen sich Gerichte immer wieder mit getroffenen Regelungen befassen, die so unklar gefasst sind, dass Verstöße dagegen nicht geahndet werden können - so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG).

Die Eltern von drei Kindern trennten sich im September 2021. Die Kinder blieben bei der Mutter. Der Umgang für die jüngeren Kinder wurde wie folgt geregelt: "Der Umgang erfolgt zweimal monatlich in den Räumen (...), wobei die Kinder von der Mutter dorthin gebracht und wieder abgeholt werden. Der Umgang erfolgt vorläufig begleitet nach Terminvereinbarung mit dem Jugendamt. Der Träger des (...) bestimmt, welche einzelnen Mitarbeiter die Umgangsbegleitung übernehmen." Der Umgang des Vaters mit dem ältesten Kind blieb hingegen ungeregelt. Auf die Folgen einer Zuwiderhandlung wurde hingewiesen, der Beschluss wurde der Mutter am 10.03.2025 zugestellt. Schon am 02.05.2025 beantragte der Vater die Festsetzung eines Ordnungsgeldes und die Umgangspflegschaft gegen die Mutter. Diese habe einen ersten vereinbarten Termin abgesagt. Bei einem neuen Termin wirkte die Mutter so auf die Kinder ein, dass diese den Umgang verweigerten. Die Mutter gab an, den Kontakt zwischen den Kindern und dem Vater zu fördern; die Kinder verweigerten von sich aus den Umgang.

Der Antrag des Vaters wurde vom OLG abgelehnt. Es könne gar kein Ordnungsmittel wegen einer Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel anordnen, da die getroffene Regelung schlichtweg nicht vollstreckungsfähig war. Vollstreckungsfähig ist ein Titel nämlich erst dann, wenn er genaue und erschöpfende Bestimmungen über Art, Ort und Zeit des Umgangs enthält. Und genau daran fehlt es hier - beispielsweise an konkreten Umgangsterminen.

Hinweis: Treffen Sie Umgangsvereinbarungen immer so konkret wie möglich. Nur das sichert Ihnen im Endeffekt die Vollstreckbarkeit.
 
 


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.09.2025 - 5 WF 86/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Sechsmonatige Wartezeit: Kein Sonderkündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl in der Probezeit

Zu den Personengruppen, die im Rahmen des Arbeitsrechts einen Sonderkündigungsschutz genießen, gehören auch Betriebsratsmitglieder. Wie es sich jedoch damit verhält, wenn man sich noch während der Probezeit daran macht, einen solchen Betriebsrat zu gründen, und dann seinen Arbeitsplatz gekündigt bekommt, musste zuerst das Arbeitsgericht (ArbG) und schließlich das Landesarbeitsgericht München (LAG) klären.

Zu den Personengruppen, die im Rahmen des Arbeitsrechts einen Sonderkündigungsschutz genießen, gehören auch Betriebsratsmitglieder. Wie es sich jedoch damit verhält, wenn man sich noch während der Probezeit daran macht, einen solchen Betriebsrat zu gründen, und dann seinen Arbeitsplatz gekündigt bekommt, musste zuerst das Arbeitsgericht (ArbG) und schließlich das Landesarbeitsgericht München (LAG) klären.

Ein Sicherheitsmitarbeiter begann im März 2024 seine Arbeit in einem Unternehmen. Nur wenige Tage später ließ er bei einem Notar eine Erklärung beglaubigen, dass er einen Betriebsrat gründen wolle. Kurz darauf fragte er beim Arbeitgeber per E-Mail nach, ob es bereits einen Betriebsrat gebe. Gleichzeitig kündigte er an, eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands einzuberufen, falls kein Gremium existiere. Der Arbeitgeber reagierte darauf mit einer ordentlichen Kündigung zum Ende März 2024. Der Mann wollte die Kündigung jedoch nicht hinnehmen und argumentierte, sie verstoße gegen das Verbot, eine Betriebsratswahl zu behindern. Erst Monate später (im Oktober 2024) verwies er zusätzlich auf den Sonderkündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl nach § 15 Abs. 3b Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Das ArbG gab ihm recht und sah die Voraussetzungen für den Schutz erfüllt, weil der Beschäftigte seine Absicht notariell bestätigt hatte.

Das LAG beurteilte den Fall jedoch anders - es wies die Klage ab. Nach Ansicht des Gerichts galt der besondere Kündigungsschutz noch nicht, weil sich das Arbeitsverhältnis in der sechsmonatigen Wartezeit befand. Das KSchG fand daher keine Anwendung. Außerdem habe der Beschäftigte zu spät mitgeteilt, dass er sich auf den Sonderkündigungsschutz berufen wolle. Da er dies nicht innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung tat, sei dieses Recht verwirkt gewesen.

Hinweis: Das Urteil verdeutlicht, dass der Schutz für Wahlinitiatoren erst nach Ablauf der Wartezeit greift. Wer eine Betriebsratsgründung vorbereitet, sollte den Arbeitgeber unbedingt zeitnah über die formale Erklärung informieren, um den Sonderkündigungsschutz nicht zu verlieren.


Quelle: LAG München, Urt. v. 20.08.2025 - 10 SLa 2/25
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Zuständigkeit nach Ortswechsel: Verlängerung der Umgangspflegschaft ist als eigenes Verfahren zu behandeln

Getrennte Paare zieht es oft in unterschiedliche Richtungen, und das auch örtlich. Fraglich ist dann oft, wo im Rahmen einer Scheidung die Folgeverfahren durchzuführen sind: Am Ort der Trennung oder am neuen Lebensmittelpunkt? Da sich darüber auch zwei Amtsgerichte augenscheinlich nicht einig waren, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) ein Machtwort sprechen.

Getrennte Paare zieht es oft in unterschiedliche Richtungen, und das auch örtlich. Fraglich ist dann oft, wo im Rahmen einer Scheidung die Folgeverfahren durchzuführen sind: Am Ort der Trennung oder am neuen Lebensmittelpunkt? Da sich darüber auch zwei Amtsgerichte augenscheinlich nicht einig waren, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) ein Machtwort sprechen.

Die Eltern zweier Kinder ließen sich scheiden. Die Familie lebte bis dahin in Freiburg, nach der Scheidung zog die Mutter mit den Kindern aber nach Hildesheim. Im Zuge des Scheidungsverfahrens wurde der Umgang für den Vater noch in Freiburg durch das dortige Amtsgericht (AG) geregelt. Es wurde eine Umgangsvereinbarung mit befristeter Umgangspflegschaft gebilligt. Diese sollte verlängert werden, also beantragte man dies in Freiburg. Das Gericht in Freiburg wies jedoch darauf hin, dass es nicht mehr zuständig sei. Das Verfahren wurde nach Hildesheim abgegeben. Doch dann erklärte sich auch das dortige AG mit Beschluss für unzuständig und legte das Verfahren dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

Der Beschluss der Freiburger zur Verweisung nach Hildesheim war auch laut OLG bindend. Es ist umstritten, ob es als Ursprungsgericht für die Verlängerung zuständig bleibt oder die Kollegen in Hildesheim im Gericht des aktuellen Aufenthalts der Kinder zuständig seien. Beide Ansichten werden gleichermaßen vertreten. Das AG Freiburg ist mit seinem Beschluss nun der zweiten Ansicht gefolgt. Schlussendlich aber ist festzuhalten, dass die Verlängerung einer Umgangspflegschaft nicht anders zu behandeln ist als andere Verfahren, in denen über die Verlängerung von befristeten Anordnungen zu entscheiden ist.

Hinweis: Neues Verfahren - neues Gericht, könnte man sagen. Sollten Sie sich doch mal an das örtlich unzuständige Gericht wenden, wird es Sie entsprechend darauf hinweisen und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht abgeben. Der "Fehler" ist also halb so wild.


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.09.2025 - 5 UFH 8/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Man kennt sich: Ein vollständiges Gericht erklärt sich im Scheidungsverfahren der Kollegin für befangen

Liest man in der öffentlichen Berichterstattung etwas über die Befangenheit von Richtern, handelt es sich dabei meist um einen von anderer Seite vorgetragenen Vorwurf. Im Folgenden aber ging es dabei um ein ehrliches Eingeständnis - und zwar von gleich allen Richtern eines ganzen Amtsgerichts (AG). Denn besonders in kleineren AG heißt es schnell: Man kennt sich. Was in einem derartigen Fall zu tun ist, klärte schließlich das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG).

Liest man in der öffentlichen Berichterstattung etwas über die Befangenheit von Richtern, handelt es sich dabei meist um einen von anderer Seite vorgetragenen Vorwurf. Im Folgenden aber ging es dabei um ein ehrliches Eingeständnis - und zwar von gleich allen Richtern eines ganzen Amtsgerichts (AG). Denn besonders in kleineren AG heißt es schnell: Man kennt sich. Was in einem derartigen Fall zu tun ist, klärte schließlich das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG).

Eine Richterin, die am AG Ettlingen tätig ist, wollte sich scheiden lassen. Der dafür zuständige Richterkollege in Ettlingen gab das Verfahren ab, weil er sich in dieser Sache selbst für befangen erklärte. Er arbeite einfach zu nah mit der Kollegin zusammen, man vertrete sich gegenseitig und ist deswegen in ständigem Austausch. Die übrigen Richter wiederum wollten nicht über diese Selbstanzeige entscheiden, weil sie durch die gemeinsamen Mittagspausen, Kaffeerunden und die familiäre Zusammenarbeit allgemein selbst befangen seien. Eine neutrale Entscheidung sei in dieser Angelegenheit also nicht möglich. Und so legte der Direktor des AG das Ganze gem. § 113 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit , § 45 Abs. 3, § 48 Zivilprozessordnung dem OLG vor, damit dieses das nunmehr zuständige Gericht bestimmt.

Das OLG erklärte das Amtsgericht in Karlsruhe-Durlach für zuständig. Das OLG bestätigte zudem, dass alle Selbstanzeigen der Befangenheit begründet waren. Dies sei immer dann der Fall, "wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen". Bei einer sehr engen beruflichen Zusammenarbeit kann man bei einem kleinen AG mit fünf Richtern in der Tat von einer Befangenheit ausgehen.

Hinweis: Das ist ein außergewöhnlicher Fall. Die Befangenheit eines Richters kommt aber schon häufiger vor. Haben Sie mal ein ungutes Gefühl, fragen Sie sich, ob Sie objektive Gründe haben, an der Neutralität des Richters zu zweifeln. Falls ja, dann können Sie als Partei, gegebenenfalls über Ihren Rechtsanwalt, einen Befangenheitsantrag stellen.


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 03.06.2025 - 20 UFH 1/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Trotz externer Dienstleistung: Fehler bei Durchführung von betrieblichem Eingliederungsmanagement gehen zu Lasten des Arbeitgebers

Krankheitsbedingte Kündigungen unterliegen bestimmten Voraussetzungen. Die Durchführung eines betriebliches Eingliederungsmanagements (BEM) gehört zwar nicht zwingend dazu, ist jedoch dringend anzuraten, um beiden Seiten die Wahrnehmung eventuell späterer Ansprüche zu vereinfachen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) befasste sich damit, wer für den Ablauf eines BEM verantwortlich ist, wenn dafür externe Dienstleister engagiert werden, denen dabei Fehler unterlaufen, und dann eine krankheitsbedingte Kündigung im Raum steht.

Krankheitsbedingte Kündigungen unterliegen bestimmten Voraussetzungen. Die Durchführung eines betriebliches Eingliederungsmanagements (BEM) gehört zwar nicht zwingend dazu, ist jedoch dringend anzuraten, um beiden Seiten die Wahrnehmung eventuell späterer Ansprüche zu vereinfachen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) befasste sich damit, wer für den Ablauf eines BEM verantwortlich ist, wenn dafür externe Dienstleister engagiert werden, denen dabei Fehler unterlaufen, und dann eine krankheitsbedingte Kündigung im Raum steht.

Ein langjähriger Mitarbeiter eines Unternehmens war häufig über Wochen oder Monate krank. Um seine Rückkehr zu erleichtern, beauftragte der Arbeitgeber einen externen Dienstleister mit der Durchführung des BEM. Der Mitarbeiter erhielt eine Einladung zu einem ersten Gespräch, an dem auch eine Vertrauensperson teilnehmen durfte. Während des Treffens im Februar 2023 sprach die Mitarbeiterin des Dienstleisters bereits über gesundheitliche Einschränkungen und mögliche Veränderungen am Arbeitsplatz. Am Ende wurde jedoch ein Formular unterschrieben, in dem stand, dass kein BEM gestartet werde, weil der Beschäftigte mit seiner Arbeitssituation zufrieden sei. Sollte er erneut erkranken, könne er später freiwillig ein BEM beginnen. Einige Monate später fiel der Mitarbeiter erneut krankheitsbedingt aus, und sein Arbeitgeber kündigte ihm das Arbeitsverhältnis im Juli 2023.

Das LAG erklärte die Kündigung jedoch für unwirksam. Denn das Gericht stellte fest, dass das BEM nicht korrekt durchgeführt worden war. Der Arbeitnehmer sei nicht ausreichend über die Verwendung seiner Gesundheitsdaten informiert worden, zudem sei das Informationsgespräch fälschlicherweise mit der eigentlichen BEM-Durchführung vermischt worden. Dadurch habe der Beschäftigte den Eindruck gewinnen können, dass ein BEM gar nicht nötig sei. Zudem habe das Protokoll des Gesprächs den (falschen) Eindruck erweckt, die Ablehnung des BEM schütze ihn vor Konsequenzen. Diese Fehler führten dazu, dass das Verfahren seinen Zweck verfehlte. Da der Dienstleister im Auftrag des Arbeitgebers gehandelt hatte, musste der Arbeitgeber auch die Verantwortung tragen.

Hinweis: Das Urteil macht deutlich, dass Arbeitgeber beim BEM ihre Verantwortung nicht abgeben können. Wer externe Stellen beauftragt, muss deren Arbeit sorgfältig kontrollieren. Fehler im Ablauf können eine Kündigung unwirksam machen.


Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.01.2025 - 15 Sa 22/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Bei kurzfristiger Krankmeldung: Betriebsratsbeschluss bleibt auch ohne sehr zeitnah geladenes Ersatzmitglied gültig

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste einen interessanten Fall entscheiden. Die Frage, um die es sich hierbei drehte: Kann ein Beschluss des Betriebsrats auch dann gültig sein, wenn ein Ersatzmitglied nach einer spontanen Verhinderung nicht mehr eingeladen wurde? Die Antworten von Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG) lauteten jeweils anders, und so hatte schließlich das BAG das letzte Wort.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste einen interessanten Fall entscheiden. Die Frage, um die es sich hierbei drehte: Kann ein Beschluss des Betriebsrats auch dann gültig sein, wenn ein Ersatzmitglied nach einer spontanen Verhinderung nicht mehr eingeladen wurde? Die Antworten von Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG) lauteten jeweils anders, und so hatte schließlich das BAG das letzte Wort.

Ein Mitarbeiter eines Metallbetriebs war mit einer neuen Betriebsvereinbarung zur Vergütung nicht einverstanden. Diese Vereinbarung aus dem Jahr 2020 senkte bestimmte Zahlungen ab 2022. Der Beschäftigte meinte, die Regelung sei ungültig, weil der Betriebsrat beim Abschluss keinen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst habe. Später, im Juli 2023, bestätigte der Betriebsrat den Abschluss noch einmal in einer Sitzung. Eingeladen waren elf Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder. Kurz vor der Sitzung meldete sich ein Betriebsratsmitglied krank. Ein weiteres Ersatzmitglied wurde wegen der kurzfristigen Krankmeldung nicht mehr benachrichtigt. Acht Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder nahmen teil und beschlossen einstimmig, die Vereinbarung zu bestätigen.

Das ArbG hielt den Beschluss für wirksam, das LAG sah das anders. Das BAG stellte schließlich klar, dass der Beschluss gültig war. Das Gericht erklärte, dass eine Nachladung nur dann zwingend nötig ist, wenn der Ausfall rechtzeitig bekannt gewesen sei. Fällt ein Mitglied jedoch erst am Tag der Sitzung aus, muss der Vorsitzende kein Ersatzmitglied mehr einladen. Eine solche spontane Krankmeldung mache eine rechtzeitige Benachrichtigung unmöglich. Der Beschluss des Betriebsrats blieb deshalb wirksam. Somit galt die neue Betriebsvereinbarung rückwirkend ab der Unterzeichnung.

Hinweis: Das Urteil zeigt, dass Betriebsratsbeschlüsse trotz spontaner Ausfälle Bestand haben können. Wichtig ist, dass der Betriebsrat beschlussfähig bleibt und kein Mitglied bewusst ausgeschlossen wird. In solchen Situationen zählt vor allem, dass der Vorsitzende nach bestem Wissen und Gewissen handelt.


Quelle: BAG, Urt. v. 20.05.2025 - 1 AZR 35/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)