Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Keine Persönlichkeitsverletzung: BGH lehnt Entschädigung für Namensnennung in Demonstrationsaufruf ab

Der Politikbetrieb ist nicht erst mit Social-Media-Kanälen zu einem Haifischbecken geworden, jedoch zu einem weitaus umtriebigeren. Hier ging es um einen Beitrag auf dem Telegramkanal der Partei "Freie Sachsen", gegen den sich ein "Die Linke"-Abgeordneter zu wehren versuchte. Er war darin namentlich genannt worden, sah seinen Ruf damit gefährdet und klagte auf Schadensersatz. Das letzte Wort hatte hier der Bundesgerichtshof (BGH).

Der Politikbetrieb ist nicht erst mit Social-Media-Kanälen zu einem Haifischbecken geworden, jedoch zu einem weitaus umtriebigeren. Hier ging es um einen Beitrag auf dem Telegramkanal der Partei "Freie Sachsen", gegen den sich ein "Die Linke"-Abgeordneter zu wehren versuchte. Er war darin namentlich genannt worden, sah seinen Ruf damit gefährdet und klagte auf Schadensersatz. Das letzte Wort hatte hier der Bundesgerichtshof (BGH).

Der Abgeordnete der Partei "Die Linke" hatte für den 05.09.2022 eine Demonstration auf dem Leipziger Augustusplatz angemeldet. Die Partei "Freie Sachsen" meldete für denselben Tag eine eigene Versammlung an und veröffentlichte am 31.08.2022 einen Beitrag mit dem Motto "GETRENNT MARSCHIEREN, GEMEINSAM SCHLAGEN!", in dem mehrere Personen namentlich genannt wurden - darunter der Abgeordnete. Dieser erwirkte eine Unterlassungsverfügung, woraufhin die Beklagte den Beitrag am 03.09.2022 löschte. Anschließend verlangte der Abgeordnete 15.000 EUR Schadensersatz, weil er seinen Ruf durch den Eindruck einer Zusammenarbeit mit der Partei "Freie Sachsen" als Rechtsextremisten verletzt sah. Das Landgericht verurteilte die Beklagte zunächst zu 10.000 EUR, das Oberlandesgericht (OLG) hob das Urteil jedoch auf und wies die Klage ab.

Der BGH bestätigte letztendlich die Entscheidung des OLG. Nach Ansicht des Gerichts ließ sich aus dem Beitrag nicht eindeutig ableiten, dass der Abgeordnete tatsächlich mit der Beklagten zusammengearbeitet habe. Der Text war mehrdeutig und erlaubte somit verschiedene Interpretationen: Manche Leser konnten eine koordinierte Zusammenarbeit vermuten - andere verstanden lediglich, dass beide Demonstrationen zeitlich zusammenfielen, ohne dass eine Absprache bestand. Da der Beitrag auch als journalistische Berichterstattung im Sinne des Medienprivilegs zu werten war, konnte der Abgeordnete seinen Anspruch auch nicht aus der Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung herleiten.

Hinweis: Eine Namensnennung in einem öffentlichen politischen Beitrag begründet allein keinen Anspruch auf Schadensersatz. Entscheidend ist, ob die Aussage eindeutig eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung darstellt. Politische Berichterstattung und öffentliche Meinungsäußerungen genießen besonderen Schutz.


Quelle: BGH, Urt. v. 29.07.2025 - VI ZR 426/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2025)

Unzulässige Beeinflussung: Irreführende Gestaltung beim Abschluss einer Ticketversicherung

Beim Design von Websites sollte in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht bei dem Motto "Mach groß, mach bunt, mach laut!" stets Vorsicht geboten sein. Denn Verbraucherschützer haben ein Auge darauf, wenn Verbraucher manipuliert werden. In diesem Fall prüfte das Oberlandesgericht Bamberg (OLG), ob die grafische Gestaltung auf der Internetseite eines Ticketanbieters bei Abschluss einer Ticketversicherung zulässig war.

Beim Design von Websites sollte in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht bei dem Motto "Mach groß, mach bunt, mach laut!" stets Vorsicht geboten sein. Denn Verbraucherschützer haben ein Auge darauf, wenn Verbraucher manipuliert werden. In diesem Fall prüfte das Oberlandesgericht Bamberg (OLG), ob die grafische Gestaltung auf der Internetseite eines Ticketanbieters bei Abschluss einer Ticketversicherung zulässig war.

Einer der Global Player unter den Eventveranstaltern verkaufte über seine Website Eintrittskarten und bot gleichzeitig eine Ticketversicherung an. Beim Kauf erschien ein Hinweis auf die Versicherung in einem hellblauen Feld, das hervorgehoben war, während das Kästchen zum Anklicken weiß gestaltet war. Klickte der Nutzer auf "Weiter zur Kasse", öffnete sich ein weiteres Fenster mit einer fetten Überschrift, die erneut den Abschluss der Versicherung empfahl. Dort konnte zwischen einem weißen Button ("Ich trage das volle Risiko" = ohne Versicherung) und einem blauen Button mit der Versicherungsauswahl gewählt werden. Der Kläger - Dachverband der Verbraucherzentralen - hielt dies für irreführend und reichte Klage ein.

Das OLG stellte fest, dass die Beklagte sowohl durch die wiederholte Aufforderung (sog. "Nagging") als auch durch die visuelle Gestaltung der Buttons die Entscheidungsfreiheit der Nutzer unzulässig beeinflusste. Der Hinweis "Ich trage das volle Risiko" suggerierte den Verbrauchern, sie könnten ohne Versicherung den vollen Verlust des Ticketpreises erleiden, obwohl dies rechtlich nicht zutraf. Dadurch wurde der durchschnittliche Nutzer getäuscht und zur Versicherung gedrängt. Die Kombination aus wiederholter Nachfrage und dem bedrohlich klingenden Text überschritt die Schwelle zur unzulässigen Beeinflussung und verstieß damit gegen Art. 25 Abs. 1 Digital Service Act sowie gegen §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte durfte diese Gestaltung daher nicht weiter verwenden.

Hinweis: Das Gericht lehnte jedoch ab, der Beklagten auch das erstmalige Versicherungsangebot im Warenkorb zu untersagen. Dieses werde zwar herausgehoben präsentiert - dennoch sei einfach erkennbar, dass die Versicherung optional sei und nicht etwa zwingend für den Kauf des Tickets erforderlich. Hier sah das OLG die Entscheidungsfreiheit der Nutzer nicht maßgeblich beeinträchtigt.


Quelle: OLG Bamberg, Urt. v. 05.02.2025 - 3 UKl 11/24 e
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2025)

"Achtung, neue Bankverbindung": Wenn Kunde Werklohn an Betrüger überweist, haftet "gehackter" Unternehmer nur teilweise

Dass digitale Freiheit und Flexibilität auch dem Verbrechen nützen, ist nicht neu. Dennoch werden Vorsichtsmaßnahmen immer wieder ignoriert, so dass sich im Nachhinein Gerichte wie das Landgericht Koblenz (LG) um den entstandenen Schaden kümmern müssen. In diesem Fall ging ein unstrittiger Rechnungsbetrag an eine angeblich neue Bankverbindung. Man ahnt; das Geld war verloren - nur: Wer trägt die (Haupt-)Schuld daran?

Dass digitale Freiheit und Flexibilität auch dem Verbrechen nützen, ist nicht neu. Dennoch werden Vorsichtsmaßnahmen immer wieder ignoriert, so dass sich im Nachhinein Gerichte wie das Landgericht Koblenz (LG) um den entstandenen Schaden kümmern müssen. In diesem Fall ging ein unstrittiger Rechnungsbetrag an eine angeblich neue Bankverbindung. Man ahnt; das Geld war verloren - nur: Wer trägt die (Haupt-)Schuld daran?

Anfang des Ganzen waren Zaunbauarbeiten, die ein Unternehmen auf einem Grundstück für einen vereinbarten Pauschalpreis von 11.000 EUR ausführte. Nach Rechnungsstellung erhielt der Unternehmer per WhatsApp Screenshots über Zahlungen von 6.000 und 5.000 EUR - allerdings auf ein fremdes Konto. Flugs stellte der Unternehmer fest, dass das Geld nicht auf seinem Konto eingegangen war, und informierte den Kunden. Dieser erklärte, er habe zuvor E-Mails vom vermeintlichen Account des Unternehmers erhalten, in denen eine neue Bankverbindung genannt wurde. Hätte der Unternehmer die Screenshots sofort geprüft, hätten die Banken die Überweisungen möglicherweise stoppen können, so die Auffassung des Kunden.

Das LG folgte dieser Argumentation jedoch nicht und gab der Klage des Unternehmers zu 75 % statt, einem Zahlungsanspruch von 8.250 EUR entsprechend. Das Gericht erklärte, dass sich der Kunde sich nicht darauf berufen könne, dass seine Zahlungen den Werklohn erfüllten, wenn die E-Mail möglicherweise nicht vom Unternehmer stammte. Allerdings sah das LG ein Mitverschulden des Unternehmers nach Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung, weil er seine E-Mail und sensible Daten nicht ausreichend gesichert hatte, wodurch sein Account gehackt werden konnte. Dennoch hätte der Kunde beim Erkennen der fremden Kontoverbindung wachsam sein müssen. Die ohne Rückfrage erfolgte Überweisung auf ein ihm bis dahin unbekanntes Konto machte ihn ebenfalls mitschuldig. Deshalb wurde der Schaden auf 75 % zu Lasten des Kunden quotiert, so dass er lediglich 25 % gegenrechnen konnte. Somit hat der Unternehmer 2.750 EUR weniger erhalten als ursprünglich vereinbart.

Hinweis: Bei E-Mail-Kommunikation über Bankverbindungen ist stets Vorsicht geboten! Sensible Daten sollten besonders gesichert werden, und Zahlungen auf fremde Konten müssen immer kritisch geprüft werden.


Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 26.03.2025 - 8 O 271/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2025)

Möbellagerung trotz Kündigung: Nutzungsentschädigung gibt es nur bei erkennbarem Rücknahmewillen des Vermieters

Wer nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung nicht zurückgibt, kann zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung an den Vermieter verpflichtet werden. Das aber gilt nur dann, wenn dieser die Herausgabe der Wohnung zuvor explizit gefordert hat. Selbst eine laufende Auseinandersetzung über eine eventuelle Unwirksamkeit der Kündigung ändert daran nichts. Das zeigt auch dieser Fall, den letztlich der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte.

Wer nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung nicht zurückgibt, kann zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung an den Vermieter verpflichtet werden. Das aber gilt nur dann, wenn dieser die Herausgabe der Wohnung zuvor explizit gefordert hat. Selbst eine laufende Auseinandersetzung über eine eventuelle Unwirksamkeit der Kündigung ändert daran nichts. Das zeigt auch dieser Fall, den letztlich der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte.

Ein Mann hatte seit 2016 eine Wohnung in Hanau für 1.090 EUR gemietet, wobei sowohl er als auch sein Vermieter für fünf Jahre auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichteten. Dennoch kündigte der Mieter im Mai 2017 das Mietverhältnis zum 31.08.2017 - eine später gerichtlich bestätigte, wirksame Kündigung. Ab Februar 2018 wohnte der Mann schließlich nicht mehr in der Wohnung, ließ dort aber noch seine Einbauküche und einige Möbelstücke stehen. Trotzdem zahlte er bis August 2018 weiterhin Miete unter Vorbehalt. Im Oktober 2018 gab er die Schlüssel schließlich zurück und verlangte kurz darauf auch die gezahlten Beträge sowie seine Kaution zurück. Der Vermieter rechnete die mieterseitige Forderung hingegen mit angeblichen Schadensersatz- und Nutzungskostenforderungen auf. Doch sowohl Amts- als auch Landgericht gaben dem Mieter weitgehend recht und sprachen diesem rund 10.000 EUR zu.

Der BGH bestätigte die Entscheidung der beiden Vorinstanzen. Der Vermieter konnte sich in diesem Fall nämlich nicht auf § 546a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen, der einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung vorsieht, wenn ein Mieter die Wohnung nach Vertragsende weiter bewohnt. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist es vielmehr entscheidend, dass das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht. Doch an eben diesem Willen des Vermieters fehlte es hier, denn dieser ging - wie das seinerseits angestrebte, aber verlorene Verfahren gegen die vorzeitige Kündigung belegt - von einem Fortbestehen des Mietverhältnisses aus.

Hinweis: Der Vermieter zeigte im hier maßgeblichen Zeitraum von Februar 2018 bis einschließlich August 2018 nicht den erforderlichen Rücknahmewillen. Das hat zur Folge, dass der Kläger ihm die Wohnung in diesem Zeitraum nicht im Sinne von § 546a Abs. 1 BGB vorenthalten hatte.


Quelle: BGH, Urt. v. 18.06.2025 - VIII ZR 291/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Mit Bierdose am Beckenrand: Kein Anspruch auf Schadensersatz nach versehentlichem Zahnbruch beim Ballspiel

Eben noch gelacht vor lauter Frohsinn und schon fehlt ein Schneidezahn - es geht oft besonders schnell mit folgenreichen Versehen, wenn Sonne, Spaß, Wasser und womöglich gar Alkohol im Spiel sind. So musste das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) die Folgen eines Urlaubsspaßes bewerten und dabei die Frage klären, ob ein Mann, der beim Ballspielen vom Ball getroffen wurde und dabei einen Zahn verlor, Ersatz verlangen konnte.

Eben noch gelacht vor lauter Frohsinn und schon fehlt ein Schneidezahn - es geht oft besonders schnell mit folgenreichen Versehen, wenn Sonne, Spaß, Wasser und womöglich gar Alkohol im Spiel sind. So musste das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) die Folgen eines Urlaubsspaßes bewerten und dabei die Frage klären, ob ein Mann, der beim Ballspielen vom Ball getroffen wurde und dabei einen Zahn verlor, Ersatz verlangen konnte.

Der Mann verbrachte gemeinsam mit mehreren Freunden Urlaub in Südeuropa. An einem Tag befand sich die Gruppe am Pool, unterhielt sich, wechselte ins Wasser und warf sich einen Ball gegenseitig zu. Zunächst war der Mann aktiv beim Ballspiel dabei. Später stand er mit einer Bierdose am Rand des Pools, warf weiterhin Bälle zurück. Da traf ihn ein Ball am Hinterkopf, er stieß mit dem Gesicht gegen den Beckenrand und verlor einen Schneidezahn. Er verlangte vom Ballwerfenden Ersatz für Zahnarztkosten in Höhe von 228 EUR und forderte Schmerzensgeld in Höhe von 2.250 EUR. Er behauptete, eindeutig gesagt zu haben, dass er nicht mehr mitspielen wolle.

Zuerst wies das Amtsgericht die Forderung des Mannes zurück, und schließlich bestätigte auch das LG diese Entscheidung. Es machte deutlich, dass eine Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. So zog der Mann sein Rechtsmittel zurück. Das Gericht sah die Zahnverletzung als Teil eines allgemeinen Lebensrisikos an. Wer an einem Ballspiel teilnehme, nehme bewusst das Risiko in Kauf, dass ein Ball daneben geht und jemanden treffen könne. Dieses Risiko war im konkreten Fall eingetreten. Aussagen der Urlaubspartner konnten nicht eindeutig zeigen, dass der Geschädigte klargestellt habe, nicht mehr mitspielen zu wollen. Im Gegenteil: Er hatte weiterhin Bälle aufgenommen und geworfen. Sein Verbleib im Wasser trotz Ballspiels bedeutete, dass er die damit verbundenen Gefahren akzeptierte. Einen sicheren Rückzug hätte er erreicht, indem er den Pool verlassen hätte. Hätte der Ballwerfer absichtlich auf seinen Kopf gezielt, wäre eine andere Bewertung möglich gewesen - diese Absicht ließ sich jedoch nicht feststellen. Das LG meinte auch, dass der Geschädigte durch sein Verhalten das Verletzungsrisiko selbst noch verstärkt habe, weil er mit einer Bierdose in der Hand im Wasser stand. Dadurch war eine angemessene Reaktion auf einen Sturz nur stark eingeschränkt möglich. Da er sich nicht klar genug aus dem Spiel zurückgezogen hatte, traf ihn also ein typisches Risiko des Spiels.

Hinweis: Hier ging es um eine Verletzung im Rahmen eines Freizeitspiels und um keinen absichtlichen Angriff. Der Anspruch scheiterte, weil das Risiko im Spielalltag lag. Wenn ein Ball bewusst auf den Kopf geworfen würde, könnte die Lage anders sein.


Quelle: LG Nürnberg-Fürth I, Urt. v. 14.04.2025 - 15 S 7420/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2025)

Rauchbelastung vom Nachbargrundstück: Videomaterial und subjektives Empfinden begründen allein noch keinen Unterlassungsanspruch

Wo Feuer ist, ist bekanntlich auch Rauch. Ob dessen reine Existenz bereits Anlass für nachbarschaftliche Unterlassungsansprüche bietet, beschäftigte erst das Landgericht Cottbus (LG) und dann das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG). Letzteres machte in seinem Urteil nicht nur deutlich, dass Gerichte für eine fundierte Rechtsprechung gut vorbereitete Klagen als unabdingbare Grundlage voraussetzen, sondern auch warum.

Wo Feuer ist, ist bekanntlich auch Rauch. Ob dessen reine Existenz bereits Anlass für nachbarschaftliche Unterlassungsansprüche bietet, beschäftigte erst das Landgericht Cottbus (LG) und dann das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG). Letzteres machte in seinem Urteil nicht nur deutlich, dass Gerichte für eine fundierte Rechtsprechung gut vorbereitete Klagen als unabdingbare Grundlage voraussetzen, sondern auch warum.

Es ging um einen Streit zwischen Nachbarn in Brandenburg, bei sich Nachbar A auf seinem Grundstück durch Rauch aus Öfen vom Grundstück des Nachbarn B betroffen sah. Nachbar A hatte zunächst beim LG Unterlassung sowie Schadensersatz verlangt und legte dazu Videomaterial vor, das den Rauch dokumentieren sollte. Das LG gab der Klage teilweise statt: Es erkannte eine Beeinträchtigung durch den sichtbaren Rauch an, lehnte aber den Schadensersatz ab, weil die wirtschaftlichen Folgen zu pauschal vorgetragen worden waren. In der Berufung argumentierte der Nachbar, es gehe ihm nicht um den sichtbaren Rauch, sondern um die Bestandteile wie Ruß und unverbrannte Stoffe, die auf falsche Bedienung der Öfen hinwiesen. Nachbar B wiederum hielt diese behauptete, erhebliche Beeinträchtigung für weiterhin nicht gegeben.

Das OLG änderte die Entscheidung des LG und wies die nur in Teilen erfolgreiche Klage schließlich insgesamt ab. Nach Auffassung das Gerichts lagen zum einen keine unzulässigen Beeinträchtigungen vor, weil die Öfen keine Grenzwerte überschritten. Zum anderen war das Urteil der Vorinstanz widersprüchlich: Einerseits wurde die Unterlassung von Rauch verlangt, andererseits wurden die Bestandteile des Rauchs vom Unterlassungsanspruch ausgenommen, obwohl diese im Rauch enthalten sind. Ein Sachverständigengutachten bestätigte, dass nur Kohlenmonoxid theoretisch in zu hohen Mengen auftreten könnte, andere Stoffe aber innerhalb der zulässigen Grenzwerte lagen. Da der Unterlassungsanspruch jedoch nur den Rauch selbst betraf, hatte eine Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg.

Hinweis: Sichtbarer Rauch allein begründet keinen Unterlassungsanspruch. Für einen solchen komme es immer auf die tatsächliche Belastung durch Schadstoffe an. Videomaterial oder subjektives Empfinden reichen dabei nicht aus, um eine rechtswidrige Beeinträchtigung nachzuweisen.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 03.07.2025 - 5 U 77/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Verstoß gegen die DSGVO: Steuererklärung trotz Hinweises an die alte Adresse gesendet - Kanzlei ist schadensersatzpflichtig

Die Automatisierung von Prozessen verspricht Zuverlässigkeit. Doch wie es so ist: Spielt der Mensch bei der Dateneingabe oder -pflege nicht korrekt mit, versagt auch dieses Prinzip. So musste sich hier das Amtsgericht Wesel (AG) damit befassen, wie hoch der erlittene Schaden ist, wenn aufgrund der unterlassenen Datenpflege durch eine Kanzlei die Steuerklärung Fremden in die Hände fällt - und das auch noch in einer kleinen Gemeinde, wo man einander kennt.

Die Automatisierung von Prozessen verspricht Zuverlässigkeit. Doch wie es so ist: Spielt der Mensch bei der Dateneingabe oder -pflege nicht korrekt mit, versagt auch dieses Prinzip. So musste sich hier das Amtsgericht Wesel (AG) damit befassen, wie hoch der erlittene Schaden ist, wenn aufgrund der unterlassenen Datenpflege durch eine Kanzlei die Steuerklärung Fremden in die Hände fällt - und das auch noch in einer kleinen Gemeinde, wo man einander kennt.

Die Mandanten hatten der Kanzlei im August 2019 per E-Mail ihre neue Adresse mitgeteilt und sie mehrfach daran erinnert. Bei der Erstellung der Steuererklärung für 2019 griff die Kanzlei jedoch automatisiert auf die alten Kontaktdaten zurück - die Erklärung wurde folglich also an die ehemalige Adresse geschickt. Dummerweise öffneten die neuen Bewohner auch noch den Umschlag - versehentlich - und sahen den Inhalt. Die Mandanten fühlten sich dadurch bloßgestellt, da es sich um sehr persönliche Daten handelte, unter anderem auch Gesundheitsinformationen. Und das alles in der kleinen Gemeinde, in der sie lebten, wo Diskretion wichtig war. Sie verlangten deshalb ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000 EUR. Die Kanzlei argumentierte hingegen, dass die Mandanten möglicherweise einen Nachsendeauftrag hätten einrichten sollen und dass das Öffnen der Post durch die neuen Bewohner nicht ihre Schuld sei.

Das AG sprach den Mandanten einen immateriellen Schadensersatz von insgesamt 1.000 EUR zu, also jeweils 500 EUR pro Person. Die Kanzlei hatte gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen, weil sie die alte Adresse nicht vollständig aus ihren Daten gelöscht hatte. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Adresse automatisch aus einem Programm eingefügt worden war. Das Gericht begründete die Höhe des Schadensersatzes damit, dass der Kontrollverlust über die Daten zwar einen Schaden darstellte, dieser jedoch deutlich unter der von den Mandanten geforderten Summe lag.

Hinweis: Auch kleine Fehler bei der Speicherung personenbezogener Daten können im Rahmen der DSGVO zu Schadensersatzforderungen führen. Automatisierte Prozesse entbinden Unternehmen nicht von der Verantwortung. Wer Mandanten- oder Kundendaten verarbeitet, muss diese regelmäßig prüfen und aktualisieren.


Quelle: AG Wesel, Urt. v. 23.07.2025 - 30 C 138/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2025)

Unredliche Verhaltensweise: Anspruchssicherung nach Täuschung über Lieferfähigkeit anzuzahlender Luxusautos

Dass man mit Geld nicht alles kaufen kann, liegt unter anderem auch an Betrügern, die zwar das Geld wollen, aber dafür nichts zu geben bereit sind. Was passiert, wenn man einen beachtlichen Betrag anzahlt, weil man den Verkäufern von Luxusautos aufgesessen war, die augenscheinlich viel zu bieten, aber nichts zu liefern hatten, klärte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Dass man mit Geld nicht alles kaufen kann, liegt unter anderem auch an Betrügern, die zwar das Geld wollen, aber dafür nichts zu geben bereit sind. Was passiert, wenn man einen beachtlichen Betrag anzahlt, weil man den Verkäufern von Luxusautos aufgesessen war, die augenscheinlich viel zu bieten, aber nichts zu liefern hatten, klärte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

Die Klägerinnen kauften von den drei Beklagten vier exklusive Fahrzeuge - und zwar drei Ferraris für jeweils 700.000 EUR sowie einen Mercedes AMG für 3,25 Mio. EUR. Die Lieferung der Fahrzeuge blieb jedoch aus. Daher traten die Klägerinnen nicht nur von den Verträgen zurück, sondern beantragten nunmehr bezüglich ihres noch ausstehenden Rückzahlungsanspruchs von 700.000 EUR die Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen der Beklagten. Ein solcher Vermögensarrest ist in der Tat eine Beschlagnahme einzelner Vermögensgegenstände, was man zumeist aus Meldungen zu "eingefrorenem" Vermögen kennt, um den späteren Zugriff auf diese Werte sichern zu können. Hier hatte das zuvor damit betraute Landgericht dem Antrag weitgehend stattgegeben.

Die darauf erfolgte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerinnen konnten ihre Zahlungsansprüche glaubhaft machen, da die Beklagten sie über ihre Liefermöglichkeit getäuscht hätten. Es war davon auszugehen, dass den Beklagten die Beschaffung der Fahrzeuge tatsächlich nicht möglich war. Vertraglich hätten sie jedoch die Lieferfähigkeit konkludent zugesichert. Allen mit dem Handel hochpreisiger Fahrzeuge vertrauten Beteiligten sei zwar klar gewesen, dass die Fahrzeuge nicht bei den Beklagten in der Garage stehen, sondern erst beschafft werden müssten. Mit den kaufvertraglichen Formulierungen sei aber vorgetäuscht worden, dass die Beklagten die Fahrzeuge beim Hersteller bestellen und diese dann auch geliefert werden könnten. Nicht erkennbar sei es hingegen gewesen, dass die Verkäufer nicht nur keinen Kontakt zum Hersteller oder Verträge oder Zusicherungen von anderen Zwischenhändlern hatten - zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse habe noch nicht mal die Aussicht für den Erwerb der Fahrzeuge bestanden. Aufgrund dieses Irrtums zur Lieferfähigkeit hatten die Klägerinnen jedoch ihre Anzahlungen geleistet. Die Klägerinnen hätten auch einen Arrestgrund glaubhaft gemacht. Dieser sei anzunehmen, wenn ohne Arrest die Vollstreckung eines Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Neben den hier vorliegenden Vermögensdelikten bestünden weitere Anhaltspunkte, dass die Beklagten ihre unredliche Verhaltensweise gegenüber den Klägerinnen fortsetzen und den rechtswidrig erlangten Vermögensvorteil und ihr sonstiges Vermögen dem Zugriff der Klägerinnen entziehen würden.

Hinweis: Ein Arrestbefehl soll verhindern, dass sich die für Vollstreckungsmaßnahmen zu Verfügung stehende Haftungsmasse des Schuldners durch eine zwischenzeitliche Veränderung der Verhältnisse verringert - sei es, dass Vermögensgegenstände verloren gehen oder unauffindbar werden.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.07.2025 - 32 U 1/25
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

General- und Vorsorgevollmacht: Erben haben Auskunftsanspruch gegenüber generalbevollmächtigtem Bruder

Ob und inwieweit ein Generalbevollmächtigter den Erben gegenüber zur Auskunft über seine Tätigkeit und zu Ausgaben und Einnahmen verpflichtet ist, war Gegenstand eines geschwisterlichen Rechtsstreits vor dem Landgericht Ellwangen (LG). Das Delikate an der Sachlage war hier, dass der generalbevollmächtigte Bruder der Erben auch zum Testamentsvollstrecker des verstorbenen Vaters bestimmt worden war.

Ob und inwieweit ein Generalbevollmächtigter den Erben gegenüber zur Auskunft über seine Tätigkeit und zu Ausgaben und Einnahmen verpflichtet ist, war Gegenstand eines geschwisterlichen Rechtsstreits vor dem Landgericht Ellwangen (LG). Das Delikate an der Sachlage war hier, dass der generalbevollmächtigte Bruder der Erben auch zum Testamentsvollstrecker des verstorbenen Vaters bestimmt worden war.

Der Erblasser hinterließ sechs Kinder, die er in einem Testament aus dem Jahr 2020 zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hatte. Gleichzeitig hatte er eine Testamentsvollstreckung angeordnet und einen Sohn zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Eben diesem Sohn hatte der Erblasser bereits drei Jahre vor dem Testament eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Darin war bestimmt, dass sich die Vollmacht ohne Ausnahme auf alle Rechtsgeschäfte erstreckt - insbesondere zur Verwaltung des Vermögens des Vollmachtgebers und zur Verfügung über Vermögensgegenstände. Die Vollmacht sollte auch über den Tod hinaus gelten. Noch vor dem Tod des Erblassers verfügte der bevollmächtigte Sohn über einen Geldbetrag von rund 25.000 EUR, wobei unklar blieb, wofür dieses Geld verwendet wurde. Nach dem Tod des Vaters forderten die Geschwister den bevollmächtigten Bruder dazu auf, eine geordnete Aufstellung aller Ausgaben und Einnahmen vorzulegen. Da er der Aufforderung nicht nachkam, trafen sich die Beteiligten vor Gericht wieder.

Das LG verpflichtete den Bevollmächtigten, der Erbengemeinschaft eine vollständige, nach Einnahmen und Ausgaben geordnete Aufstellung über die getätigten Verfügungen zu erstellen und Belege zur Verfügung zu stellen. Das Gericht begründete dies damit, dass es sich bei der notariell beurkundeten Generalvollmacht aufgrund der damit vorliegenden erheblichen Vermögensinteressen um ein Auftragsverhältnis im rechtlichen Sinne gehandelt hat - und nicht um ein reines Gefälligkeitsverhältnis, wie der Bevollmächtigte annahm. Als Folge des rechtlichen Auftragsverhältnisses bestehen eben auch ein Auskunftsanspruch und eine Verpflichtung, Rechenschaft abzulegen, beispielsweise durch Vorlage von Belegen, Kontoauszügen etc. Der Umstand, dass der Sohn gleichzeitig auch zum Testamentsvollstrecker bestimmt wurde, änderte an dieser Verpflichtung nichts, da es hier um eine Auskunft zu seinem Handeln vor dem Tod des Erblassers ging.

Hinweis: Die Erteilung einer Generalvollmacht an einen Familienangehörigen entbindet diesen nicht von einer Auskunftsverpflichtung gegenüber den Erben. Der Anspruch kann bei einer Erbengemeinschaft von jedem der Erben im Namen der übrigen Erben geltend gemacht werden.


Quelle: LG Ellwangen, Urt. v. 31.07.2025 - 3 O 284/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

Kein automatischer Vorsatz: Selbst eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 % kann fahrlässiger Natur sein

Man kann es drehen, wie man will: 40 % sind nur zehn Zähler bis zur Hälfte, und ein Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in dieser Höhe sollte nicht einfach "aus Versehen" passieren. Das Amtsgericht Landstuhl (AG) war da aber etwas dezidierterer Meinung, was dabei den automatischen Vorwurf des Vorsatzes anging. Und so zeigt der folgende Fall hervorragend auf, wie Gerichte mit dem richtigen Augenmaß urteilen.

Man kann es drehen, wie man will: 40 % sind nur zehn Zähler bis zur Hälfte, und ein Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in dieser Höhe sollte nicht einfach "aus Versehen" passieren. Das Amtsgericht Landstuhl (AG) war da aber etwas dezidierterer Meinung, was dabei den automatischen Vorwurf des Vorsatzes anging. Und so zeigt der folgende Fall hervorragend auf, wie Gerichte mit dem richtigen Augenmaß urteilen.

Ein Autofahrer befuhr innerorts eine Straße mit einem Tempolimit von 30 km/h - dies jedoch mit rund 46 km/h (nach Abzug der Messtoleranz). Woher man das weiß? Genau, er wurde geblitzt. Daher erging an ihn ein Bußgeldbescheid, wobei das Bußgeld aufgrund der erheblichen Überschreitung verdoppelt wurde. Die Begründung dafür war die Annahme von Vorsatz. Damit war, man ahnt es, der Betroffene aber nicht einverstanden und legte Einspruch ein. Er sei irrtümlich davon ausgegangen, auf einer nicht limitierten Straße unterwegs gewesen zu sein. Und in seinem Irrtum verhielt der Mann sich durchaus sehr vorbildlich, denn selbst ohne Toleranzabzug sei er mit "nur" 49 km/h unterwegs gewesen. Es könne daher nicht von einer vorsätzlichen Begehung ausgegangen werden.

Das AG gab dem Betroffenen recht. Allein die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 40 % lasse bei sehr niedrigen Geschwindigkeitsbegrenzungen keinen automatischen Rückschluss auf eine vorsätzliche Begehung zu. Hier müssten weitere Beweisanzeichen hinzukommen, beispielsweise das Fahrverhalten anderer, die etwa die Höchstgeschwindigkeit einhielten. Doch die gab es hier schlichtweg nicht. Und selbst, wenn der Fahrer das Tempolimit wahrgenommen hätte, sei nicht automatisch sichergestellt, dass er auch wahrnahm, möglicherweise zu schnell zu sein. Es sei daher von einer fahrlässigen Begehungsweise auszugehen.

Hinweis: Laut AG muss differenziert werden - selbst, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 40 % oder mehr im Hinblick auf die Wahrnehmung der Fahrgeschwindigkeit regelmäßig als ein verlässliches Indiz für (zumindest bedingt) vorsätzliches Handeln anerkennt. Bei der Überschreitung einer verhältnismäßig niedrigen Geschwindigkeitsbegrenzung (in diesem Fall um 12 km/h) müssen vielmehr weitere belastbare Beweisanzeichen hinzukommen, die für eine Wahrnehmung der Fahrgeschwindigkeit durch den Fahrzeugführer sprechen. Nur dann kann die Annahme eines Vorsatzes begründet sein.


Quelle: AG Landstuhl, Beschl. v. 07.08.2025 - 2 OWi 4211 Js 8201/25
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)