Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Hessisches Justizkostengesetz: Sonderrecht befreit evangelische Kirche von Gerichtsgebühren

Dass die finanziellen Sonderrechte der Kirchen größer sind als gedacht, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG). Aber fair muss fair bleiben - die Höhe der Summe, um die es bei einem Rechtstreit geht, sollte nicht dafür entscheidend sein, Unrecht mit einem Augenzwinkern hinnehmen zu müssen.

Dass die finanziellen Sonderrechte der Kirchen größer sind als gedacht, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG). Aber fair muss fair bleiben - die Höhe der Summe, um die es bei einem Rechtstreit geht, sollte nicht dafür entscheidend sein, Unrecht mit einem Augenzwinkern hinnehmen zu müssen.

Ein hessischer evangelischer Regionalverband hatte vor Gericht eine mietrechtliche Streitigkeit geführt und dafür eine Gerichtskostenrechnung in Höhe von 140 EUR erhalten. Dagegen ging der Verband gerichtlich vor und meinte, keine Gerichtsgebühren zahlen zu müssen: Eine zum evangelischen Kirchenapparat zu zählende Stelle sei von der Entrichtung von Gerichtsgebühren schließlich befreit.

Und durchaus bestätigte das OLG, dass Art. 22 Satz 2 des Vertrags der evangelischen Landeskirchen in Hessen mit dem Land Hessen auf das Hessische Justizkostengesetz aus dem Jahr 1958 verweist. Die betreffende Regelung aus dem Jahr 1958 sei zwar zwischenzeitlich nicht mehr in Kraft - der besagte Artikel des Vertrags nimmt jedoch weiterhin auf diese Vorschrift wirksam Bezug. Aus diesem Grund musste der Verband die Gerichtskostenrechnung nicht bezahlen.

Hinweis: Die Finanzierung der Kirchen ist schon seit vielen Jahren ein Streitpunkt. Sie ist historisch gewachsen, aber nicht unabänderlich.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 05.01.2024 - 26 Sch 4/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2024)

Abhebungsgebühr und Zinsen: Bei Entschädigungsansprüchen der Bahn gegenüber darf man auch kleinlich sein

Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Und wenn man bedenkt, wie oft die Bahn, um die es hier geht, zu spät kommt, können auch Kleingeldbeträge in ihrer Summe ins Gewicht fallen. Vor dem Amtsgericht Münster konnte ein Fahrgast, der auf ein Taxi zurückgreifen musste, seine Entschädigungsansprüche bis auf den dafür angefallenen Cent genau durchsetzen.

Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Und wenn man bedenkt, wie oft die Bahn, um die es hier geht, zu spät kommt, können auch Kleingeldbeträge in ihrer Summe ins Gewicht fallen. Vor dem Amtsgericht Münster konnte ein Fahrgast, der auf ein Taxi zurückgreifen musste, seine Entschädigungsansprüche bis auf den dafür angefallenen Cent genau durchsetzen.

Ein Mann wollte mit dem Zug fahren, der allerdings Verspätung hatte. Er verlangte ursprünglich Schadensersatz sowie eine Entschädigung in Höhe von 73,09 EUR und klagte das Geld ein. Daraufhin wurden von der Bahn 66,10 EUR für die entstandenen Taxikosten bezahlt. Der Mann verlangte jedoch auch die Abhebegebühr in Höhe von 5,98 EUR und die Zinsen zurück, da er Geld für das Taxi abheben musste.

Das Geld erhielt er tatsächlich. Die Abhebegebühr konnte der Mann nach § 11 Abs. 2 Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) als erforderliche Aufwendung wegen der Verspätung verlangen. Die EVO ist nach Ansicht des Richters auch neben der europäischen Fahrgastrechteverordnung anwendbar. Das würde sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 EVO ergeben.

Hinweis: Wer gegen die Bahn vorgehen will, hat häufig gute Karten. Ob es sich im Einzelfall lohnt, wegen 6,99 EUR einen Rechtsstreit fortzusetzen, mag jeder für sich selbst entscheiden.


Quelle: AG Münster, Urt. v. 28.09.2023 - 96 C 1400/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2024)

Bilder im Internet: Suchmaschine haftet nur bei klarer Rechtslage

Wer eine Suchmaschine auffordert, Inhalte zu löschen, muss schon angeben, wo diese zu finden sind. Denn sonst wird es mehr als schwer, seine - womöglich sogar berechtigten - Ansprüche durchzusetzen. Ebendies war im Folgenden der Fall, wo eine Löschaufforderung so unklar definiert war, dass dem Landgericht Köln (LG) nur ein Weg blieb.

Wer eine Suchmaschine auffordert, Inhalte zu löschen, muss schon angeben, wo diese zu finden sind. Denn sonst wird es mehr als schwer, seine - womöglich sogar berechtigten - Ansprüche durchzusetzen. Ebendies war im Folgenden der Fall, wo eine Löschaufforderung so unklar definiert war, dass dem Landgericht Köln (LG) nur ein Weg blieb.

Ein Schweizer Unternehmen bot Investitionen im Marktsegment von Cannabispflanzen an. In den Ergebnissen einer Suchmaschine wurden zwei unangemessene Bilder des Verwaltungsratspräsidenten und eines Landwirts sowie ein Artikel mit dem Titel "Totalverlustrisiko" angezeigt, die sich inhaltlich alle auf das Unternehmen bezogen. Das Unternehmen, das auch den deutschen Markt bedient, forderte die Suchmaschine auf, die entsprechenden Suchergebnisse zu löschen. Doch die Betreiberin der Suchmaschine teilte mit, dass sie die Bilder nicht finden könne, und bat um konkretere Angaben, wo sich die zu löschenden Inhalte befänden. Das Schweizer Unternehmen reagierte darauf nicht, sondern klagte.

Laut LG kommt zwar grundsätzlich eine Haftung der Betreiberin der Suchmaschine in Betracht. Eine derartige Meldung muss aber ausreichende Angaben enthalten, um es Suchmaschinenbetreibern zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass die Wiedergabe rechtswidrig ist und eine etwaige Löschung des betreffenden Inhalts mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar wäre. Das war hier nicht der Fall - deshalb konnte das Unternehmen auch nicht die Löschung verlangen.

Hinweis: Immer mehr Geschädigte wenden sich wegen irregulärer Einträge gegen Suchmaschinen. Das ist auch ihr gutes Recht und wird durch die Rechtsprechung gedeckt. Im Zweifel hilft ein Rechtsanwalt des Vertrauens weiter.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 26.10.2023 - 14 O 285/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2024)

Handtuchplage am Pool: Ständig reservierte Liegen können durchaus einen berechtigten Reisemangel darstellen

Bei dem folgenden Klassiker handelt es sich quasi um den Nachbarschaftsstreit im Urlaub: die stundenlang per Handtuch reservierte Liege. Diese Form der Auseinandersetzung hat es nun vom Hotelpool bis zum Amtsgericht Hannover (AG) geschafft. Das AG musste beurteilen, ob und wann wegen dieses Markierungsverhaltens urlaubender Sonnenanbeter ein Mangel vorliegt, der entsprechend vergolten werden kann.

Bei dem folgenden Klassiker handelt es sich quasi um den Nachbarschaftsstreit im Urlaub: die stundenlang per Handtuch reservierte Liege. Diese Form der Auseinandersetzung hat es nun vom Hotelpool bis zum Amtsgericht Hannover (AG) geschafft. Das AG musste beurteilen, ob und wann wegen dieses Markierungsverhaltens urlaubender Sonnenanbeter ein Mangel vorliegt, der entsprechend vergolten werden kann.

Ein Mann hatte auf Rhodos für sich und seine Familie eine Pauschalreise zu einem Wert von über 5.000 EUR gebucht. Das Hotel verfügte über mehrere Swimmingpools und etwa 500 Poolliegen. Es hatte zudem Verhaltensregeln vorgegeben, wonach die Liegen nicht mehr als 30 Minuten ohne Nutzung reserviert werden dürfen. Doch an diese Vorgabe hielten sich die wenigsten Gäste. Der Mann rügte daher mehrfach das Verhalten gegenüber der Hotelleitung, die jedoch nicht gegen die vorgegebenen Verstöße gegen die Verhaltensregeln vorging. Schließlich forderte er einen Teil des Reisepreises in Höhe von knapp 800 EUR zurück. Der Reiseveranstalter war naturgemäß der Auffassung, dass es sich hierbei jedoch nicht um einen Reisemangel handeln würde. Schließlich hätten sich der Mann und seine Familie auch nicht an die Regeln halten müssen und Liegen durch Handtücher reservieren können.

Das AG sprach dem Mann einen Anspruch auf Zahlung von 322,77 EUR zu. Eine Pauschalreise ist dann mangelhaft, wenn der Reiseveranstalter in einer Hotelanlage entweder nur wenige Poolliegen zur Verfügung stellt oder aber nicht einschreitet, wenn andere Reisegäste diese etwa mittels eines Handtuchs längere Zeit reservieren, ohne sie tatsächlich zu nutzen. Zwar ist ein Reiseveranstalter nicht verpflichtet, jedem Hotelgast eine Liege zur Verfügung zu stellen. Dennoch muss die Anzahl der Liegen in einem angemessenen Verhältnis zur Hotelauslastung und damit zur Anzahl der Hotelgäste stehen. Gibt es allerdings zu wenig Liegen, so dass diese für den Reisenden durch das Verhalten anderer wie hier faktisch nicht nutzbar sind, ist der Reiseveranstalter zum Einschreiten verpflichtet. Das Gericht hat insoweit eine Reisepreisminderung von 15 % des Tagesreisepreises der ab der erstmaligen Rüge des Klägers betroffenen Tage angenommen.

Hinweis: Wichtig bei Reisemängeln ist stets, dass diese vor Ort gerügt und die entsprechenden Beweise gesichert werden.


Quelle: AG Hannover, Urt. v. 20.12.2023 - 553 C 5141/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2024)

Trotz nachbarlichem Einverständnis: Fenster in Brandwänden müssen wieder verschlossen werden

Dass nicht jede Umbaumaßnahme lediglich vom Wohlwollen des Nachbarn abhängt, zeigt dieser Fall des Verwaltungsgerichts Mainz (VG). Denn hier hatte die Bauordnungsbehörde den berechtigten Einwand bei einer Wand - und zwar sicherheitstechnisch. Dass sie hierbei ein wenig trödelte, spielte für den Ausgang des Ganzen keine wesentliche Rolle.

Dass nicht jede Umbaumaßnahme lediglich vom Wohlwollen des Nachbarn abhängt, zeigt dieser Fall des Verwaltungsgerichts Mainz (VG). Denn hier hatte die Bauordnungsbehörde den berechtigten Einwand bei einer Wand - und zwar sicherheitstechnisch. Dass sie hierbei ein wenig trödelte, spielte für den Ausgang des Ganzen keine wesentliche Rolle.

In der Brandwand eines Wohngebäudes, das auf der Grenze zum Nachbargrundstück stand, wurde im Jahr 2009 ein Fenster eingesetzt, einige Jahre später noch ein zweites. Der Nachbar war damit auch durchaus einverstanden, die Bauordnungsbehörde jedoch nicht. Sie gab den Eigentümern Jahre später auf, die Fenster zu beseitigen, und später im Widerspruchsverfahren obendrein, einen hochfeuerhemmenden Abschluss der Brandwand zu gewährleisten. Gegen den entsprechenden Bescheid klagten die Eigentümer - dies jedoch vergeblich.

Das VG urteilte, dass Öffnungen in Brandwänden unzulässig und deshalb auf Aufforderung der Bauaufsichtsbehörde auch dann zu verschließen seien, wenn der angrenzende Nachbar sich mit diesen einverstanden erklärt hat und die Behörde erst nach längerer Zeit gegen den baurechtswidrigen Zustand vorgeht.

Hinweis: Vor Umbaumaßnahmen sollte stets genau geprüft werden, was bauordnungsrechtlich und bauplanungsrechtlich zulässig ist.


Quelle: VG Mainz, Urt. v. 06.12.2023 - 3 K 39/23.MZ
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2024)

Haftungsfrage bei Mehrfachversicherung: Auch das Rückwärtsfahren mit einem Anhänger gilt rechtlich als Zugvorgang

Dass die Unfallverursacherin im folgenden Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) überversichert war, indem sie sowohl ihren Pkw als auch ihren daran angebrachten Anhänger einzeln versicherte, kann hier außer Acht gelassen werden. Die interessante Frage, die aus diesem Umstand hervorging, war, ob beide Versicherer den Schaden im sogenannten Innenverhältnis hälftig teilen mussten oder gar einer von ihnen komplett zu haften habe.

Dass die Unfallverursacherin im folgenden Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) überversichert war, indem sie sowohl ihren Pkw als auch ihren daran angebrachten Anhänger einzeln versicherte, kann hier außer Acht gelassen werden. Die interessante Frage, die aus diesem Umstand hervorging, war, ob beide Versicherer den Schaden im sogenannten Innenverhältnis hälftig teilen mussten oder gar einer von ihnen komplett zu haften habe.

Eine Autofahrerin war mit ihrem Auto samt Anhänger unterwegs, Zugfahrzeug und Anhänger waren bei unterschiedlichen Versicherungen versichert. Beim Rückwärtsfahren verursachte die Fahrerin schließlich einen Schaden in Höhe von knapp 1.000 EUR. Die Haftpflichtversicherung des Pkw ersetzte den Schaden am Fahrzeug des Dritten und forderte daraufhin die Hälfte des regulierten Schadens von der Anhängerversicherung zurück. Sie war der Ansicht, dass beide Versicherungen als Gesamtschuldner haften und somit im Innenverhältnis zwischen den Versicherern die Anhängerversicherung die Hälfte mittragen müssen. Das sah die betreffende Versicherung anders. Durch das Rückwärtsfahren sei die Gefahr durch den Anhänger nicht erhöht gewesen, daher scheide ein Anspruch aus.

Der BGH gab der Anhängerversicherung Recht und wies zunächst darauf hin, dass eine Mehrfachversicherung des Gespanns vorliege. Beide Versicherer haften dem geschädigten Dritten gegenüber als Gesamtschuldner und hafteten deshalb im Außenverhältnis zunächst vollständig. Im sogenannten Innenverhältnis haftet nach den gesetzlichen Vorschriften aber nur der Versicherer der Zugmaschinen, also die Kfz-Versicherung. Eine Ausnahme bestehe dann, wenn sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr verwirklicht als durch das Zugfahrzeug - beispielsweise wenn der Anhänger wegen seiner besonderen Länge oder Größe die Gefahr erhöhe. Das Ziehen des Anhängers allein verwirklicht jedoch in der Regel keine höhere Gefahr, wobei der BGH klarstellt, dass auch das Rückwärtsfahren mit einem Anhänger ein "Ziehen" darstelle. Nicht relevant hingegen ist, ob der Anhänger gezogen oder geschoben werde (z.B. während eines Rangiervorgangs).

Hinweis: Verursacht ein mit einem Zugfahrzeug verbundener Anhänger einen Schaden, haften der Halter des Zugfahrzeugs und der Halter des Anhängers als Gesamtschuldner. Im Außenverhältnis kann sich der Geschädigte seinen Anspruchsgegner aussuchen, also entweder die Versicherung des Zugfahrzeugs oder die Versicherung des Anhängers in Anspruch nehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Halter von Zugfahrzeug und Anhänger wie hier nicht identisch sind. Die Entscheidung des BGH betrifft das Innenverhältnis zwischen Anhänger- und Zugfahrzeugversicherung. Hierfür hat der BGH klargestellt, dass auch beim Rückwärtsfahren grundsätzlich die Versicherung des Zugfahrzeugs allein haftet.

Quelle. BGH, Urt. v. 14.11.2023 - VI ZR 98/23

zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Anspruch von Nacherben: Wie wird der Streitwert einer Auskunftsklage ermittelt?

Rechtsstreitigkeiten im Erbrecht sind häufig teuer, weshalb die Frage nach der Höhe eines Streitwerts als Grundlage der Kostenbemessung von großer Bedeutung ist. In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg ging es um den Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben.

Rechtsstreitigkeiten im Erbrecht sind häufig teuer, weshalb die Frage nach der Höhe eines Streitwerts als Grundlage der Kostenbemessung von großer Bedeutung ist. In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg ging es um den Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben.

Der Erblasser hatte zusammen mit seiner Ehefrau ein notarielles Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben und die drei Kinder zu Nacherben zu je 1/3 eingesetzt haben. Nach dem Tod des Erblassers nahm ein Sohn die Mutter auf Auskunft über die zum Nachlass gehörenden Erbschaftsgegenstände in Anspruch. Mit Beendigung des Rechtsstreits setzte das zuständige Landgericht (LG) auf Basis der Angaben in der Klageschrift den Streitwert auf 20.000 EUR fest. Gegen diese Wertfestsetzung wandte sich die Mutter mit der Begründung, dass der Streitwert einer Auskunftsklage mit 1/10 des Nachlasswerts zu bewerten und darüber hinaus auch die Erbquote des Klägers von 1/3 bezogen auf den Nachlass zu berücksichtigen sei. Dies führe zu einem Streitwert zwischen 5.450 EUR und 13.645 EUR. Das LG hat den Streitwert in der Folge auf 24.526 EUR festgesetzt und dies damit begründet, der Betrag entspreche 15 % des gesamten Nachlasswerts. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter und Vorerbin war im Ergebnis erfolglos.

Im Rahmen einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben bemisst sich der Gebührenstreitwert nach dem wirtschaftlichen Interesse des Nacherben an der begehrten Auskunft. Dieser bestimmt sich in der Regel nach einem Bruchteil des Nachlasswerts zwischen 1/10 und 1/4 der Hauptforderung. Die Erbquote des Nacherben sei nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Der Auskunftsanspruch dient dem berechtigten Interesse des Nacherben, Kenntnis über alle zur Erbschaft gehörende Gegenstände zu erhalten, um auch prüfen zu können, ob gegebenenfalls weitere Informations-, Kontroll- oder Sicherungsrechte bestehen. Diese Rechte können auch im Fall einer aus mehreren Nacherben bestehenden Erbengemeinschaft von jedem einzelnen Erben allein geltend gemacht werden, weshalb die Ansprüche im Regelfall den gesamten Nachlass umfassen. Daher sei die Bemessung des Streitwerts anhand eines Bruchteils von 15 % bezogen auf den gesamten Nachlass nicht zu beanstanden.

Hinweis: Bei einer Auskunftsklage eines Pflichtteilsberechtigten wird bezüglich des Streitwerts auf den Bruchteil des späteren Leistungsanspruchs abgestellt, weshalb die Bestimmung der Pflichtteilsquote dort maßgebliches Kriterium ist.


Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.01.2024 - 3 W 113/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Unklare Unfallsituation: Kann selbst ein Sachverständiger keine Klärung herbeiführen, kommt es zur Schadensteilung

Zwei Autos stehen hintereinander, beide zur selben Fahrtrichtung ausgerichtet. Dann ist das eine hinten, das andere vorn beschädigt. Was hier eindeutig war: Eine Kollision der beiden Pkw hatte stattgefunden. Alles andere jedoch musste das Amtsgericht Essen (AG) klären - oder es zumindest versuchen.

Zwei Autos stehen hintereinander, beide zur selben Fahrtrichtung ausgerichtet. Dann ist das eine hinten, das andere vorn beschädigt. Was hier eindeutig war: Eine Kollision der beiden Pkw hatte stattgefunden. Alles andere jedoch musste das Amtsgericht Essen (AG) klären - oder es zumindest versuchen.

Beide beteiligten Parteien verlangten vor dem AG Schadensersatz. Der eine Beteiligte meinte, es habe sich um einen Auffahrunfall gehandelt, da hafte der Auffahrende somit auch dem Anscheinsbeweis zufolge. Der andere Beteiligte forderte ebenfalls Schadensersatz, er sei gar nicht aufgefahren! Vielmehr habe der andere zurückgesetzt und sei ihm deshalb in die Fahrzeugfront gefahren. Sachverständige zuckten hier leider auch nur mit den Schultern, da die Schäden keine weitere Klarheit bringen konnten, welche der beiden Parteien nun die Wahrheit sagte. Was den Laien womöglich schmunzeln lässt, ist vor Gericht jedoch bei Weitem keine Seltenheit - und daher griff das AG zur naheliegenden Maßnahme.

Das AG entschied, dass der Schaden zu teilen sei. In diesem Fall sei der Anscheinsbeweis nicht anzuwenden. Weder ein unachtsames Rückwärtsfahren noch ein unachtsames Auffahren sei nachgewiesen oder ausgeschlossen, da selbst der Sachverständige dazu keine eindeutigen Angaben habe machen können. Daher sei der Unfallhergang nicht aufklärbar - eine Schadensteilung sei angemessen.

Hinweis: Kann ein Unfallhergang weder durch Zeugen noch durch ein Unfallrekonstruktionsgutachten aufgeklärt werden, ist regelmäßig eine hälftige Schadensverteilung vorzunehmen.


Quelle: AG Essen, Urt. v. 21.07.2023 - 29 C 152/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Wurzelschaden stoppt Rennradler: Kein Schadensersatz, wenn Hindernis für Normalfahrer deutlich erkennbar ist

Wer kennt die liebevolle, mütterliche Abschiedsfloskel nicht, bloß schön vorsichtig zu fahren und gut auf sich aufzupassen? Hätte der Radler im folgenden Fall diesen Ratschlag doch nur berücksichtigt! Dann wäre er nicht gestürzt und zudem nicht auch noch vor dem Landgericht Frankenthal (LG) mit seiner Schadensersatzklage gescheitert.

Wer kennt die liebevolle, mütterliche Abschiedsfloskel nicht, bloß schön vorsichtig zu fahren und gut auf sich aufzupassen? Hätte der Radler im folgenden Fall diesen Ratschlag doch nur berücksichtigt! Dann wäre er nicht gestürzt und zudem nicht auch noch vor dem Landgericht Frankenthal (LG) mit seiner Schadensersatzklage gescheitert.

Der Mann war mit seinem Rennrad auf einem Radweg unterwegs gewesen und aufgrund von dortigen Wurzelschäden gestürzt. Schließlich kam es, wie so oft an dieser Stelle; der Mann wandte sich mit einer Klage gegen die Gemeinde und verlangte von dieser Schadensersatz. Schließlich sei es ihre Aufgabe gewesen, im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht derlei Unfälle weitestgehend zu verhindern. Dieser Argumentation wollte das Gericht aber so nicht ganz folgen.

Das LG hat die Klage des Rennradfahrers abgewiesen. Grundsätzlich muss zwar vor Gefahrenquellen gewarnt werden - dies gilt jedoch nur, soweit sie für andere trotz aufmerksamen Verhaltens im Straßenverkehr nicht erkennbar oder beherrschbar sind. Die Anforderungen an die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht für einen Radweg bemessen sich an einem normalen Radfahrer mit einer üblichen Geschwindigkeit. Ein Rennradfahrer muss nach Auffassung des Gerichts von sich aus besonders vorsichtig fahren, da er mit seinen dünnen Reifen bei Unebenheiten besonders gefährdet ist. Vorliegend waren die Wurzelschäden nach Ansicht der Kammer gut und rechtzeitig erkennbar. Der Wegabschnitt habe auch an anderen Stellen Unebenheiten wie Bodenschwellen, Risse oder eben Wurzelschäden aufgewiesen, so dass Schäden auch an der Unfallstelle nicht überraschend gewesen sein können. Ein konzentrierter Radfahrer hätte sein Fahrverhalten an die vorgefundenen Hindernisse anpassen können und müssen. Aufgrund der ausreichenden Erkennbarkeit der Wurzelschäden sei auch eine Warnung - beispielsweise durch ein Hinweisschild - nicht erforderlich gewesen.

Hinweis: Grundsätzlich hat derjenige, der eine Gefahrenquelle (wie beispielsweise eine aus dem Boden ragende Baumwurzel) schafft oder andauern lässt, notwendige und zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu verhindern. Somit hat derjenige die Gefahren auszuräumen oder vor ihnen zu warnen, sobald sie trotz gehöriger Aufmerksamkeit nicht erkennbar sind.


Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 31.08.2023 - 3 O 71/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)

Fühlbare Gebrauchsbeeinträchtigung: Defekte Dusche kann einen Nutzungsausfallschaden von mindestens 20 % verursachen

Wenn in einer Wohnung die Dusche nicht funktioniert, stellt sich schnell die Frage, in welcher Höhe die Miete gemindert werden kann - selbst dann, wenn die Wohnung von Eigentümern selbst bewohnt wird und somit die zu zahlende Miete nur fiktiver Natur ist. Die Antwort, wie sehr ein solcher Missstand ersatzfähig ist, musste das Landgericht Saarbrücken (LG) beantworten.

Wenn in einer Wohnung die Dusche nicht funktioniert, stellt sich schnell die Frage, in welcher Höhe die Miete gemindert werden kann - selbst dann, wenn die Wohnung von Eigentümern selbst bewohnt wird und somit die zu zahlende Miete nur fiktiver Natur ist. Die Antwort, wie sehr ein solcher Missstand ersatzfähig ist, musste das Landgericht Saarbrücken (LG) beantworten.

Es ging um Arbeiten an der Heizungsanlage und an Wasserleitungen, die mit erheblichen Mängeln belastet waren. Im Rahmen eines Beweisverfahrens wurden diese Mängel durch einen Sachverständigen festgestellt. Nun verlangte die Hauseigentümerin einen Mängelbeseitigungsvorschuss und Ersatz für Aufwendungen für eine nicht gelieferte Duschkabine. Außerdem verlangte sie einen Aufschlag von 20 % für die zwischenzeitlich eingetretenen Kostensteigerungen und machte zudem einen Anspruch wegen Nutzungsausfalls geltend. In Ansatz gebracht wurden 20 % der Miete (rund 6.000 EUR). Insgesamt klagte die Eigentümerin knapp 20.000 EUR ein. Die Baufirma entgegnete jedoch, die Nutzbarkeit der Wohnung sei nicht eingeschränkt gewesen. Die Eigentümerin hätte die Dusche selbst fertigstellen können.

Vor dem LG gewann die Mieterin die Klage fast komplett. Der längere Entzug der Gebrauchsmöglichkeit von Wohnraum ist ersatzfähig, wenn der Nutzungsausfall zu einer fühlbaren Gebrauchsbeeinträchtigung geführt hat, wobei hierfür ein strenger Maßstab anzulegen ist. Der Nutzungsausfall einer Dusche aufgrund mangelhafter Arbeiten oder Nichtlieferung rechtfertigt einen Nutzungsausfallschaden von mindestens 20 % einer ortsüblichen Vergleichsmiete je Monat.

Hinweis: Mietminderungsbeträge genau zu berechnen, kann sehr schwierig sein. Im Zweifel sollten Betroffene den Anwalt des Vertrauens fragen.


Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 20.10.2023 - 15 O 182/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2024)