Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Ortsübliche Kosten: Sozialhilfeträger nicht zu Übernahme von Bestattungskosten für Beerdigung im Ausland verpflichtet

Auch mittellos Verstorbenen soll hierzulande eine angemessene Bestattung gewährleistet werden. Was darunter zu verstehen ist - also welche Kosten damit abgedeckt sind oder eben oberhalb dieses Mindestanspruchs liegen -, musste im folgenden Fall das Sächsische Landessozialgericht (LSG) auf Betreiben der Eltern eines Verstorbenen klären.

Auch mittellos Verstorbenen soll hierzulande eine angemessene Bestattung gewährleistet werden. Was darunter zu verstehen ist - also welche Kosten damit abgedeckt sind oder eben oberhalb dieses Mindestanspruchs liegen -, musste im folgenden Fall das Sächsische Landessozialgericht (LSG) auf Betreiben der Eltern eines Verstorbenen klären.

Die Eltern des im Jahr 2016 verstorbenen Sohns erhielten Leistungen der Grundsicherung im Alter sowie Erwerbsminderungsrenten. Nach dem Tod ihres Sohns beantragten sie die Übernahme von Bestattungskosten beim Träger der Sozialhilfe für eine Beerdigung in Russland. Der Sozialhilfeträger übernahm die Kosten des Bestattungshauses - nicht jedoch die Transportkosten nach Russland und die Kosten der dortigen Beisetzung. Die hiergegen gerichtete Klage der Eltern des Verstorbenen blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Das LSG stellte klar, dass lediglich ein Anspruch auf Erstattung derjenigen Kosten besteht, die unmittelbar der Bestattung dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind. Der Erstattungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger soll dabei lediglich eine angemessene Bestattung gewährleisten. Abgestellt wird hierbei auf die Kosten, die ortsüblicherweise anfallen. Kosten für die Überführung ins Ausland sind nur im Einzelfall als notwendig anerkannt. Dies gilt beispielsweise dann, wenn die Umstände eine Bestattung nach dem religiösen Bekenntnis des Verstorbenen im Inland nicht ermöglichen. Dies war aus Sicht des LSG im konkreten Fall nicht gegeben, so dass die Eltern des Verstorbenen diese Kosten selbst tragen mussten.

Hinweis: Grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind Kosten, die lediglich anlässlich des Todes entstehen, wie etwa Todesanzeigen, Danksagungen, Leichenschmaus etc.


Quelle: Sächsisches LSG, Urt. v. 30.11.2022 - L 8 SO 107/19
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)

Einschränkungen nach Sturz: Laut Gutachten nicht nachvollziehbare Folgen fließen nicht in Bemessungsgrundlage ein

Verursacht ein losgerissener Hund den Sturz eines Radfahrers, haftet der Halter des Hunds wegen der sogenannten Tiergefahr für die Schäden. Der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG), der sich mit den gesundheitlichen Folgen und deren finanzieller Bewertung eines durch einen Hund zu Fall gebrachten Mannes beschäftigte, mag so manche Leser irritieren. Aber lesen Sie selbst.

Verursacht ein losgerissener Hund den Sturz eines Radfahrers, haftet der Halter des Hunds wegen der sogenannten Tiergefahr für die Schäden. Der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG), der sich mit den gesundheitlichen Folgen und deren finanzieller Bewertung eines durch einen Hund zu Fall gebrachten Mannes beschäftigte, mag so manche Leser irritieren. Aber lesen Sie selbst.

Der Kläger befuhr links neben seiner Lebensgefährtin einen Rad- und Fußweg mit dem Fahrrad, als eine von der Leine losgerissene Hündin seinen Weg kreuzte. Der Radfahrer stürzte und verletzte sich am rechten Arm und der rechten Hand. Das Landgericht Frankfurt am Main (LG) hatte nach Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens das - normalerweise - "obere Ende" der Hundeleine als Verantwortlichen zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 7.000 EUR verurteilt. Doch dies war dem Kläger nicht genug - er verlangte mehr.

Die Berufung, mit der der Mann folglich diesen weitergehenden Schmerzensgeldanspruch geltend machte, hatte vor dem OLG jedoch keinen Erfolg. Das LG habe hier zu Recht auf Basis der sachverständig bestätigten Beeinträchtigungen - unter anderem eines Anpralltraumas des rechten Handgelenks und Ellenbogens, einer Radiusköpfchenfraktur sowie Rupturen am Handgelenk - das Schmerzensgeld mit 7.000 EUR bemessen. Die geltend gemachten nicht unerheblichen Bewegungsbeeinträchtigungen am rechten Ellbogen seien sachverständig nicht festgestellt worden. Soweit sich der Kläger auf Schmerzen bei alltäglichen Abläufen wie dem An- und Ausziehen verweise, sei dies auf Basis des Sachverständigengutachtens nicht nachvollziehbar.

Hinweis: In der täglichen Praxis gibt es immer wieder Streit über die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes. Maßgebend für dessen Höhe sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Das OLG hat die von der Vorinstanz angenommene Höhe des Schmerzensgeldes bestätigt - selbst vor dem Hintergrund, dass es dem Kläger nicht mehr möglich ist, Freizeitsportarten, wie Motorrad- und sportliches Fahrradfahren, auszuüben. Dass kein vorsätzliches Handeln des Beklagten vorgelegen habe, sei laut LG ebenfalls in die Bewertung eingeflossen.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.12.2022 - 11 U 89/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)

Berliner Mietpreisbremse: Amtsgericht Neukölln bringt vom BGH bestätigte Veröffentlichung der Verordnungsbegründung zu Fall

Ein kleines Amtsgericht hielt die Fahne im Sinne zahlreicher Vermieter hoch, und das gegen den Bundesgerichtshof (BGH). Das Amtsgericht Berlin-Neukölln (AG) bewies sich nämlich in seiner Analyse als akribischer als die hohen Kollegen in Karlsruhe. Selbst wenn es um die Mietpreisbremse und die Mieterinteressen um Rückzahlungen zu viel gezahlter Mieten ging - auch hier muss Recht Recht bleiben.

Ein kleines Amtsgericht hielt die Fahne im Sinne zahlreicher Vermieter hoch, und das gegen den Bundesgerichtshof (BGH). Das Amtsgericht Berlin-Neukölln (AG) bewies sich nämlich in seiner Analyse als akribischer als die hohen Kollegen in Karlsruhe. Selbst wenn es um die Mietpreisbremse und die Mieterinteressen um Rückzahlungen zu viel gezahlter Mieten ging - auch hier muss Recht Recht bleiben.

Mieter zahlten für eine Wohnung 543 EUR, nach der durch den Gesetzgeber eingeführten Mietpreisbremse hätten sie aber lediglich 308 EUR bezahlen müssen. Deshalb verlangten sie nun die Überzahlungen zurück. Das AG musste nun klären, ob die Mietpreisbremse in Berlin überhaupt rechtmäßig zustande gekommen war. Zwar hatte der BGH zuvor entschieden, dass die Berliner Mietpreisbremse rechtmäßig sei und insbesondere den Begründungsanforderungen genügen würde. Sie sei durch Veröffentlichung auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses von amtlicher Stelle und für die Öffentlichkeit leicht zugänglich gemacht worden (BGH, Urteil vom 27.05.2020 - VIII ZR 45/19).

Damit wollte sich das hier zuständige AG jedoch immer noch nicht zufrieden geben und gab ein Gutachten zur Frage der Art des Zeitpunkts der Veröffentlichung der Verordnungsbegründung in Auftrag - und dieses kam zu einem vernichtenden Ergebnis. Zwar sei die Begründung im Internet abrufbar gewesen, jedoch nicht über die einschlägigen Suchmaschinen unter Angabe von entsprechenden Suchbegriffen. Es musste für die Begründung der exakte (!) Link eingegeben werden - ohne diese Kenntnis war ein Aufrufen der Begründung nicht möglich. Das war jedenfalls in den Jahren 2015 bis 2017 der Fall. Daher war die Mietpreisbremse nicht ordnungsgemäß in Kraft getreten, und zu viel gezahlte Miete kann nicht zurückverlangt werden.

Hinweis: Das wird vermutlich nicht das letzte Urteil in dieser Angelegenheit gewesen sein. Jedenfalls scheint hier das AG weiter und tiefer geforscht zu haben als der BGH.


Quelle: AG Berlin-Neukölln, Urt. v. 16.11.2022 - 9 C 489/20
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)

Illegales Online-Glücksspiel: Rückzahlungsansprüche von Wetteinsätzen wegen fehlender Glücksspiellizenz

Glücksspiele können süchtig machen, und das gilt natürlich auch im Internet. Eben deshalb unterliegen sie auch strengen gesetzlichen Vorgaben. Ob ein Vergehen gegen die geltenden Gesetze auch bedeutet, dass Spiel- oder Wetteinsätze zurückgefordert werden können, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Köln (OLG) bewerten.

Glücksspiele können süchtig machen, und das gilt natürlich auch im Internet. Eben deshalb unterliegen sie auch strengen gesetzlichen Vorgaben. Ob ein Vergehen gegen die geltenden Gesetze auch bedeutet, dass Spiel- oder Wetteinsätze zurückgefordert werden können, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Köln (OLG) bewerten.

Ein Mann hatte zwischen März 2014 und Juni 2020 auf einer in deutscher Sprache abrufbaren Online-Casino-Seite an Online-Glücksspielen in Form von "Poker"- und "Blackjack"-Spielen teilgenommen. Die Betreiberin der Glücksspiele verfügte damals über eine Glücksspiellizenz im Land Schleswig-Holstein, jedoch nicht über eine Konzession für das Anbieten von Online-Glücksspielen in Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand unter anderem, dass sich das Angebot nur an Spieler in Schleswig-Holstein richten würde. Der Mann aus Nordrhein-Westfalen verspielte dennoch insgesamt fast 60.000 EUR und verlangte das Geld nun zurück.

Das OLG stellte sich auf die Seite des Klägers. Denn nach dem Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags in Nordrhein-Westfalen ist die Erlaubnis vor der Durchführung der Glücksspiele eben auch in Nordrhein-Westfalen einzuholen. Und an dieser Erlaubnis fehlte es. Daran änderte auch der Hinweis nichts, dass sich das Angebot nur an Spieler in Schleswig-Holstein richten würde. Denn der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag war schlicht und ergreifend nichtig, da er gegen das Gesetz verstoßen hatte.

Hinweis: Ein bitteres Urteil für die Betreiber von Glücksspielen. Geschädigte sollten schnellstmöglich ihren Rechtsanwalt aufsuchen, um Ansprüche geltend zu machen.


Quelle: OLG Köln, Urt. v. 31.10.2022 - 19 U 51/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2023)

Keine Vorsätzlichkeit: Geschwindigkeitsverstoß durch Irrtum über Ende von Straßenschäden

Bei Strecken mit Geschwindigkeitsbeschränkungen verhält es sich auf Autobahnen subjektiv wie mit Baustellen: Sie erscheinen oftmals endlos. Was passiert, wenn man bezüglich des Endes einer mit Bodenwellen begründeten Geschwindigkeitsbeschränkung irrt und einem deshalb Vorsätzlichkeit vorgeworfen wird, sobald man geblitzt wurde? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) wusste Antwort auf diese Frage.

Bei Strecken mit Geschwindigkeitsbeschränkungen verhält es sich auf Autobahnen subjektiv wie mit Baustellen: Sie erscheinen oftmals endlos. Was passiert, wenn man bezüglich des Endes einer mit Bodenwellen begründeten Geschwindigkeitsbeschränkung irrt und einem deshalb Vorsätzlichkeit vorgeworfen wird, sobald man geblitzt wurde? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) wusste Antwort auf diese Frage.

Ein Autofahrer befuhr eine Autobahn. Aufgrund von Unebenheiten auf der Fahrbahn wurde die Geschwindigkeit durch ein entsprechendes Zusatzschild reduziert. Eine Meterangabe oder ein Aufhebungsschild gab es jedoch nicht. Zunächst hielt sich der Mann auch an die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung. Als er dann aber keinerlei Unebenheiten mehr erkennen konnte, gab er Gas - und wurde mit 136 km/h geblitzt. Es erging ein Bußgeldbescheid, in dem dem Betroffenen ein vorsätzlicher Geschwindigkeitsverstoß vorgeworfen wurde - und durch die vermutete Vorsätzlichkeit verdoppelte sich das Bußgeld auf 240 EUR. Dagegen legte er Einspruch ein und gab an, durchaus nicht vorsätzlich gehandelt zu haben, da aus seiner Einschätzung die Gefahrenstelle vorüber war. Andere Fahrzeuge seien auch schneller gefahren, Bodenwellen nicht mehr zu sehen gewesen.

Das OLG gab dem Betroffenen Recht und halbierte das Bußgeld wieder auf 120 EUR für eine fahrlässige Begehungsweise. Der Autofahrer habe sich nicht über das Limit als solches geirrt, sondern nur über die fortgesetzte Gefahrenlage. Daher sei ein Vorsatz nicht zu unterstellen. Nur wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Gefahr vorüber sei, gelte das Tempolimit auch ohne Aufhebungszeichen nicht mehr - dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Hinweis: Tatsächlich hatte die Gefahr in dem Streckenabschnitt, in welchem der Betroffene geblitzt wurde, noch bestanden. Das Gericht ist daher nur von einer fahrlässigen Fehleinschätzung der Beschaffenheit der Örtlichkeit ausgegangen. Im Übrigen entfällt ein Streckenverbot, das zusammen mit einem Gefahrenzeichen angeordnet ist, auch ohne Aufhebungszeichen nur dann, wenn sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht.


Quelle: Brandenburgisches OLG , Beschl. v. 07.11.2022 - 2 OLG 53 Ss-OWi 388/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)

Erbunwürdigkeit: Anordnung einer Nachlasspflegschaft, auch wenn alle potentiellen Miterben bekannt sind

Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft dient der Sicherung des Nachlasses, was insbesondere in den Fällen wichtig ist, in denen die Erben (noch) unbekannt sind. Der Nachlasspfleger übernimmt dann die gesetzliche Vertretung des noch unbekannten Erben und hat die Aufgabe, den Nachlass bis zur Ermittlung zu sichern und zu verwalten. Ob und wann eine solche Nachlasspflegschaft auch vonnöten sein kann, wenn alle potentiellen Miterben bekannt sind, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) beantworten.

Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft dient der Sicherung des Nachlasses, was insbesondere in den Fällen wichtig ist, in denen die Erben (noch) unbekannt sind. Der Nachlasspfleger übernimmt dann die gesetzliche Vertretung des noch unbekannten Erben und hat die Aufgabe, den Nachlass bis zur Ermittlung zu sichern und zu verwalten. Ob und wann eine solche Nachlasspflegschaft auch vonnöten sein kann, wenn alle potentiellen Miterben bekannt sind, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) beantworten.

Der Erblasser war im Jahr 2021 verstorben. Seine erste Ehefrau beantragte einen Erbschein unter Verweis auf ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament der damaligen Eheleute, wonach sie zur Alleinerbin berufen wurde. Die Kinder des Erblassers aus einer anderen Beziehung hatten jedoch Zweifel an der Echtheit des Testaments, die sich im Erbscheinsverfahren nach Einholung eines graphologischen Gutachtens auch bestätigten. Gegen die vermeintliche Erbin wurden strafrechtliche Ermittlungen sowie ein Erbunwürdigkeitsverfahren eingeleitet, das Nachlassgericht ordnete wiederum eine Nachlasspflegschaft zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses an. Der daraufhin entstandene gerichtliche Streit drehte sich um einen hochwertigen Pkw, den der Nachlasspfleger zur Sicherung des Nachlasses veräußern wollte.

Das Nachlassgericht erteilte ihm hierzu rechtmäßig die Genehmigung, was auch das OLG bestätigte. Das Gericht stellte klar, dass ein Erbe auch dann unbekannt ist, wenn ein Rechtsstreit über eine Erbberechtigung schwebt. Dies gilt auch dann, wenn alle infragekommenden Erben bekannt sind. Maßgeblich ist nämlich, dass das Nachlassgericht zum Zeitpunkt der Einrichtung der Nachlasspflegschaft noch nicht davon überzeugt ist, wer von diesen infrage kommenden Personen der wahre Erbe geworden ist.

Hinweis: Soweit Erbunwürdigkeit im Raum steht, ist es in der Regel ausreichend, wenn die Klage erhoben und die Anfechtung erfolgt ist. Eine Entscheidung hierüber ist für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nicht zwingend erforderlich.


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.01.2023 - 14 W 112/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)

Wenn Bello beißt: Halter kann auch dann haften, wenn ihm selbst kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist

In einigen Bundesländern ist es Pflicht, seinen Hund über eine sogenannte Tierhalterhaftpflichtversicherung versichern zu lassen. Und wenn man sich den folgenden Fall und vor allem auch die Urteilsbegründung des Landgerichts Frankenthal (LG) zu Gemüte führt, leuchtet ein, dass dies Tierhaltern im gesamten Bundesgebiet dringend zu empfehlen ist. Denn es zeigt sich, dass Halter auch dann haften müssen, wenn ihnen selbst kein konkreter Vorwurf gemacht werden kann.

In einigen Bundesländern ist es Pflicht, seinen Hund über eine sogenannte Tierhalterhaftpflichtversicherung versichern zu lassen. Und wenn man sich den folgenden Fall und vor allem auch die Urteilsbegründung des Landgerichts Frankenthal (LG) zu Gemüte führt, leuchtet ein, dass dies Tierhaltern im gesamten Bundesgebiet dringend zu empfehlen ist. Denn es zeigt sich, dass Halter auch dann haften müssen, wenn ihnen selbst kein konkreter Vorwurf gemacht werden kann.

Eine Frau war zu Besuch bei einer Freundin. Mit von der Partie war auch der Rottweiler-Rüde des Bruders der Freundin, mit dem die Frau bereits gut vertraut war. Schon oft zuvor hatte sie mit dem Tier ohne Probleme gespielt und gekuschelt. Diesmal schnappte der Hund jedoch nach ihr und biss ihr ins linke Ohr. Die Wunde musste mit zahlreichen Stichen genäht werden. Die Frau war mehr als eine Woche lang arbeitsunfähig und hatte bis heute Schmerzen bei Druck- und Kälteeinwirkungen. Deshalb verlangte sie 4.000 EUR Schmerzensgeld vom Halter des Rottweilers. Der meinte jedoch, die Frau habe den Unfall durch ihr Verhalten erheblich mitverschuldet.

Das sah das LG anders. Die Frau hatte Anspruch auf das volle von ihr geltend gemachte Schmerzensgeld. Ein Hundehalter haftet, wenn sein Haustier einen anderen Menschen verletzt - und das selbst dann, wenn ihm kein falsches Verhalten vorzuwerfen ist. Die Haftung für ein Haustier setzt nämlich ein Verschulden nicht voraus. Zwar muss sich der Verletzte im Einzelfall ein eigenes Fehlverhalten als Mitverschulden anrechnen lassen. Im vorliegenden Fall konnte ein solches Fehlverhalten aber nicht bewiesen werden. Das bloße Hinwenden zu einem Tier kann ein Mitverschulden nicht begründen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die verletzte Person das Tier schon eine geraume Zeit über kennt und es bisher kein aggressives Verhalten gegeben hat.

Hinweis: Es zeigt sich wieder einmal, dass eine Tierhalterhaftpflichtversicherung ganz wichtig werden kann. Das Gleiche gilt übrigens für eine Haftpflichtversicherung für Menschen. Denn die Summe, die hier im Raum gestanden hatte, ist nichts im Vergleich zu Kosten, die beispielsweise entstehen können, wenn ein Hund unvermittelt über eine Straße rennt und einen schweren Unfall verursacht.


Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 04.11.2022 - 9 O 42/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2023)

Vertragliche Nebenpflicht: Kein gesondertes Entgelt für Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Wer seinen Kredit oder sein Darlehen vorzeitig abbezahlen möchte, muss mit einer sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung rechnen, da das vergebende Kreditinstitut bei Vergabe schließlich fest mit Zinsen innerhalb des eigentlich anberaumten Zeitrahmens gerechnet hatte. Ob Banken aber allein schon für das Errechnen dieser Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der vorzeitigen Rückführung eines Darlehens Gebühren verlangen dürfen, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) beurteilen.

Wer seinen Kredit oder sein Darlehen vorzeitig abbezahlen möchte, muss mit einer sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung rechnen, da das vergebende Kreditinstitut bei Vergabe schließlich fest mit Zinsen innerhalb des eigentlich anberaumten Zeitrahmens gerechnet hatte. Ob Banken aber allein schon für das Errechnen dieser Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der vorzeitigen Rückführung eines Darlehens Gebühren verlangen dürfen, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) beurteilen.

In dem Rechtsstreit ging es um eine Bank, die insbesondere Verbraucherkredite vergibt. Nach ihrem Preisverzeichnis verpflichten sich private Darlehenskunden, eine Pauschale von 100 EUR zu zahlen, wenn die Bank für sie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung eines Darlehens errechnen soll. Die Pauschale wird unabhängig davon fällig, ob es nachfolgend zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommt.

Ein solches Geschäftsgebaren ist nach Ansicht des OLG jedoch rechtswidrig. Das Errechnen der Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten einer Bank gegenüber Verbrauchern. Die Bank darf dafür kein gesondertes Entgelt verlangen. Etwas anderes gilt nur für Immobilienkredite. Dass die jeweilige Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung mit einem Verwaltungsaufwand verbunden ist, hat die Bank nach den abgeschlossenen Verträgen hinzunehmen.

Hinweis: Gebühren von Banken und Sparkassen sind immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. In aller Regel verlieren die Kreditinstitute.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 14.12.2022 - 17 U 132/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2023)

Verbot im Heimgesetz: Erbeinsetzung eines Wohlfahrtsverbands kann wirksam sein

Die landesrechtlichen Vorgaben für die Betreiber von Heimen sehen vor, dass es dem jeweiligen Träger untersagt ist, sich von oder zugunsten von Bewohnern Geld oder geldwerte Leistungen versprechen zu lassen, die über das vereinbarte Entgelt hinausgehen. Unter das Verbot fällt auch die Erbeinsetzung zugunsten des Trägers bzw. Betreibers eines Heims. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) musste klären, ob ein Wohlfahrtsverband bedacht werden darf, zu dessen Mitgliedern das Heim zählt, in dem die Erblasserin vor ihrem Tod wohnte.

Die landesrechtlichen Vorgaben für die Betreiber von Heimen sehen vor, dass es dem jeweiligen Träger untersagt ist, sich von oder zugunsten von Bewohnern Geld oder geldwerte Leistungen versprechen zu lassen, die über das vereinbarte Entgelt hinausgehen. Unter das Verbot fällt auch die Erbeinsetzung zugunsten des Trägers bzw. Betreibers eines Heims. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) musste klären, ob ein Wohlfahrtsverband bedacht werden darf, zu dessen Mitgliedern das Heim zählt, in dem die Erblasserin vor ihrem Tod wohnte.

Hier hatte die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemanns ein privatschriftliches Testament errichtet und einen als Verein eingetragenen Wohlfahrtsverband zum Alleinerben eingesetzt. Der einzige Sohn der Verstorbenen war unter anderem der Ansicht, dass die Einsetzung des Wohlfahrtsverbands unwirksam sei, weil die Erblasserin später in einem Heim wohnte, dessen Betreiber-GmbH Mitglied in dem bedachten Wohlfahrtsverband war. Dies sei eine Umgehung des Verbots der Begünstigung des Heimbetreibers.

Dieser Rechtsansicht folgte das OLG jedoch nicht. Adressat des Verbots ist grundsätzlich der Betreiber einer solchen Einrichtung. Der Schutzzweck dieser Vorschrift umfasst auch das Verbot von sogenannten Umgehungsgeschäften - wenn also beispielsweise anstelle des Betreibers eine diesem nahestehende natürliche oder mit diesem verbundene juristische Person begünstigt wurde und es sich damit um eine indirekte oder mittelbare Zuwendung an den Verbotsadressaten handelt. Eben dies sei im konkreten Fall aber nicht feststellbar gewesen, da weder eine wirtschaftliche Begünstigung des Betreibers eingetreten war noch eine rechtliche und tatsächliche Einflussnahme des Wohlfahrtsverbands auf den Heimbetreiber festgestellt werden konnte. Allein die Mitgliedschaft im Wohlfahrtsverband reichte dem OLG hierfür jedenfalls nicht aus. Im Ergebnis war die Erbeinsetzung zugunsten des Wohlfahrtsverbands daher wirksam.

Hinweis: Ursprünglich war das Verbot im Heimgesetz auf Bundesebene geregelt. Mittlerweile ist die Zuständigkeit auf die Bundesländer übergegangen, die in ihren jeweiligen Landesgesetzen entsprechende Regelungen aufgenommen haben.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 08.12.2022 - 20 W 301/18
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)

Unzulässige Geschwindigkeitsmessung: Polizeiliches Nachfahren bei Dunkelheit mit ungeeichtem Tacho bleibt für Temposünder ohne Folgen

Pi mal Daumen, dazu Tageszeit minus Temperatur, und fertig ist die Geschwindigkeitsmessung? Wer mitbekommen hat, dass selbst die Ergebnisse angeblich ausgefeilter Messgeräte bereits an gerichtliche Grenzen gestoßen sind (Stichwort " LEIVTEC XV3"), weiß: Nein. Und genau dieselbe Antwort musste das Amtsgericht Dortmund (AG) zwei Beamtinnen geben, die in unterstellt "guter Absicht" einem Temposünder im wahrsten Wortsinne auf der Spur waren.

Pi mal Daumen, dazu Tageszeit minus Temperatur, und fertig ist die Geschwindigkeitsmessung? Wer mitbekommen hat, dass selbst die Ergebnisse angeblich ausgefeilter Messgeräte bereits an gerichtliche Grenzen gestoßen sind (Stichwort " LEIVTEC XV3"), weiß: Nein. Und genau dieselbe Antwort musste das Amtsgericht Dortmund (AG) zwei Beamtinnen geben, die in unterstellt "guter Absicht" einem Temposünder im wahrsten Wortsinne auf der Spur waren.

Ein Autofahrer befuhr mit seinem Fahrzeug eine Autobahn, als er in eine Geschwindigkeitsmessung geriet. Einige Zeit später erhielt er einen Bußgeldbescheid mit dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung um 36 km/h. Er war dabei aber nicht von einem "Blitzer" gemessen worden, sondern durch Polizeibeamtinnen, die unter Verwendung eines nicht geeichten Tachos hinter ihm hergefahren waren. Der Betroffene legte deshalb Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und trug vor, dass ein Toleranzabzug in Höhe von 20 % bei einer Messung mit einem ungeeichten Tacho nicht ausreichend gewesen sei. Außerdem sei die Messung insgesamt unverwertbar, da zum Beispiel der gleichbleibende Abstand zum Fahrzeug nicht dokumentiert sei.

Bei all den Unklarheiten war das eine klare Angelegenheit - das AG sprach den Betroffenen frei. Das Gericht stellte fest, dass die Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung nicht nachvollzogen werden konnte. Es sei nicht erkennbar, wie einerseits eine zuverlässige Messstrecke von 1.000 m, andererseits der gleichbleibende Abstand des Fahrzeugs und außerdem noch eine durchgehende Tachometerbeobachtung durch beide Zeuginnen sichergestellt werden konnte, ohne dass die beiden Beamtinnen kommunizierten. Bei einer durchgehenden Tachometerbeobachtung sowohl durch die Beifahrerin als auch die Fahrerin wären eine ununterbrochene Beobachtung des Fahrzeugs des Betroffenen, eine durchgehende Kontrolle des gleichbleibenden Abstands des Polizeifahrzeugs und schließlich eine gleichzeitige Feststellung der Messstrecke nach menschlichem Ermessen nicht möglich. Zudem fand die Messung zur Nachtzeit statt.

Hinweis: Das Gericht wies zutreffend darauf hin, dass eine Sichtbarkeit der Konturen des gemessenen Fahrzeugs für die Polizeibeamtinnen überhaupt nicht plausibel erklärbar festgestellt werden konnte. Zur Nachtzeit und ohne Umgebungsbeleuchtung kann ohne weitere Beleuchtungsquellen, die die Fahrzeugkonturen eines Fahrzeugs aufhellen, anerkanntermaßen nicht davon ausgegangen werden, dass Fahrzeugkonturen eines gemessenen 100 m entfernten Fahrzeugs erkennbar sind. Die bloße Erkennbarkeit von Rücklichtern reicht nach der Rechtsprechung nicht aus, um zuverlässig eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit durchführen zu können.


Quelle: AG Dortmund, Urt. v. 22.11.2022 - 729 OWi-265 Js 1807/22-117/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)